Helle Hautkrebse werden häufig unterschätzt! Erste Anzeichen Schuppung, Blutung, Nässen, knotige Hautveränderungen – „Früherkennungs-Screening macht Sinn!“

Minden.(ka) Sogenannte helle Hautkrebse sind die häufigsten Krebserkrankungen des hellhäutigen Menschen. Sie kommen bei mindestens 200 von 100.000 Menschen pro Jahr in Deutschland vor, vor allem das Basalzellkarzinom und das kutane Plattenepithelkarzinom. Auch wenn die Heilungsaussichten im Vergleich zum schwarzen Hautkrebs sehr gut sind, ist heller Hautkrebs nicht zu unterschätzen. Ein unbehandeltes Plattenepithelkarzinom kann sich über die Lymphbahnen im ganzen Körper ausbreiten. Ein Basalzellkarzinom kann in das umliegende Gewebe hineinwachsen und zu schweren Entstellungen und Funktionsverlusten führen. Wie ist heller Hautkrebs frühzeitig zu erkennen und zu behandeln? Auf welche ersten Anzeichen muss man achten und welche neuen Therapien gibt es?

Dazu haben wir Prof. Dr. med. Ralf Gutzmer, Minden, befragt, den 1. Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).

Basalzellkarzinom und kutanes Plattenepithelkarzinom sind die häufigsten Krebserkrankungen des hellhäutigen Menschen. Wie kommt es, dass helle Hautkrebse trotzdem so oft unterschätzt wird?

Prof. Gutzmer: Es beruht auf verschiedenen Faktoren, dass helle Hautkrebse häufig unterschätzt werden. Zum einen entwickeln sie sich langsam, häufig über Jahre, und wachsen regional begrenzt. Das heißt, es kommt nicht oder erst sehr spät zu einer Metastasierung in andere Organe. Dementsprechend wird der helle Hautkrebs auch erst spät lebensbedrohlich. Gleichzeitig hat er aber eine hohe Morbidität, das heißt, er bedingt eine hohe Krankheitslast. Zum einen tritt der helle Hautkrebs häufig nicht nur an einer Stelle auf, sondern an verschiedenen Stellen, vor allem im Bereich der lichtexponierten Haut, die sogenannte „Feldkanzerisierung“. Zum anderen kann er durch Blutung, Nässen oder Geruchsentwicklung die Lebensqualität deutlich einschränken.

Welche Erfahrungen machen Hautärzte und Dermatologische Kliniken mit Patientinnen und Patienten, die an hellem Hautkrebs erkrankt sind?

Prof. Gutzmer: Häufig sind ältere Menschen betroffen, heller Hautkrebs entwickelt sich über Jahrzehnte. In der langsamen Entwicklung ist auch eine weitere Ursache zu sehen, warum der helle Hautkrebs oft unterschätzt wird. Bei den älteren Betroffenen stellt sich häufig die Frage, ob eine Therapie angesichts von Alter und Vorerkrankungen noch durchgeführt werden sollte. Das führt dann manchmal zu sehr schwierigen Situationen, wenn die Patientinnen und Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium in die Kliniken kommen, weil dann doch aufgrund der zunehmenden Morbidität eine Therapie trotz fortgeschrittenen Alters und Komorbiditäten notwendig und gewünscht wird.

Was sind erste Anzeichen bei hellem Hautkrebs? Macht ein Früherkennungs-Screening Sinn?

Heller Hautkrebs kann sich durch Schuppung, Blutung, Nässen und Wachstum einer knotigen Hautveränderung, die allmählich aufgeht – also ulzeriert – bemerkbar machen. Ein Früherkennungs-Screening macht Sinn und ist auch im Rahmen des gesetzlichen Hautkrebs-Screenings alle zwei Jahre ab dem 35. Lebensjahr inkludiert. Das heißt, es wird nicht nur auf Läsionen im Sinne eines schwarzen Hautkrebses, sondern auch im Sinne eines hellen Hautkrebses geachtet.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es und wie sind die Heilungsaussichten?

Prof. Gutzmer: Für Vorstufen des hellen Hautkrebses, die noch auf die äußeren Hautschichten begrenzt sind wie ein Carcinoma in situ oder eine aktinische Keratose, gibt es verschiedene Lokaltherapien. Diese schließen eine Vereisung, eine Lasertherapie und verschiedene Salbentherapien und eine fotodynamische Therapie ein. Sollte ein heller Hautkrebs ohne eine entsprechende Vorstufe diagnostiziert worden sein, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Für invasive Basalzellkarzinome und kutane Plattenepithelkarzinome kommt primär die Operation in Frage. Hiermit ist die Mehrzahl der Tumoren bei frühzeitiger Entfernung geheilt.

Und wenn eine Operation nicht möglich ist?

Prof. Gutzmer: Falls eine Operation nicht in Frage kommt, stellen eine Strahlentherapie oder bei lokal fortgeschrittenen oder fernmetastasierten Befunden eine medikamentöse Therapie Behandlungsmöglichkeiten dar. Sollte so eine Behandlung nötig werden, bietet sich die Vorstellung in einem zertifizierten Hautkrebszentrum an, da hier im Rahmen interdisziplinärer Tumorkonferenzen die verschiedenen Behandlungsmethoden Operation, Strahlentherapie und medikamentöse Therapie abgewogen werden und eine individuelle Empfehlung ausgesprochen wird.

Bei fortgeschrittenem hellem Hautkrebs ist die Rede von einer neu angebrochenen Ära durch sogenannte Checkpoint-Inhibitoren. Was bedeutet das?

Prof. Gutzmer: Wenn ein Tumorleiden soweit fortgeschritten ist, dass es durch lokale Maßnahmen wie Operation und Strahlentherapie nicht mehr in den Griff zu bekommen ist, handelt es sich bei den verschiedenen Tumorerkrankungen, die unter „hellem Hautkrebs“ subsummiert sind, insgesamt um vergleichsweise wenige Patientinnen und Patienten. Sie sollten in der besonderen Situation eines „fortgeschrittenen“ Stadiums in zertifizierten Hauttumorzentren in entsprechenden interdisziplinären Tumorkonferenzen vorstellt werden, um eine individuelle Therapieempfehlung auszusprechen. Falls eine medikamentöse Therapie empfohlen wird, dann sind häufig „Checkpoint-Inhibitoren“ die Therapie der Wahl. Sie sind zugelassen für fortgeschrittene kutane Plattenepithelkarzinome wie auch für fortgeschrittene Basalzellkarzinome, die auf eine Therapie mit zielgerichteten Substanzen, auf Hedgehog-Inhibitoren wie Sonidegib und Vismodegib, nicht mehr ansprechen oder bei denen diese nicht vertragen werden. Hier haben Checkpoint-Inhibitoren in der Tat eine neue Ära definiert. Bei insgesamt guter Verträglichkeit führen sie bei etwa 50 % der Patienten mit fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom und etwa 30 % der Patienten mit fortgeschrittenem Basalzellkarzinom zu einem langfristigen Tumorrückgang und einer langfristigen Tumorkontrolle. Insofern haben sie eine deutliche Verbesserung der Therapieoptionen erreicht.

Es sprechen noch nicht alle Patientinnen und Patienten auf diese Therapien an. Wie sieht die weitere Entwicklung aus?

Prof. Gutzmer: Wir versuchen auch weiterhin, im Rahmen von Studien die Therapieoptionen weiter zu verbessern. Auch hierzu ist die Vorstellung in einem zertifizierten Hautkrebszentrum von entscheidender Bedeutung, um die Option einer Studienteilnahme und damit einer über die Standardtherapie hinausgehende Therapieoption zu erhalten.

Das Risiko, an hellem Hautkrebs zu erkranken, ist bei Außenberufen besonders hoch. In der Bauwirtschaft ist es ist eine der häufigsten angezeigten Berufskrankheiten mit 2.600 Verdachtsanzeigen im Jahr. Was muss sich ändern?

Prof. Gutzmer: Eine Feldkanzerisierung und die Entstehung von kutanen Plattenepithelkarzinomen ist seit 2015 als Berufserkrankung, BK5103, anerkannt. Voraussetzung ist, dass eine entsprechende berufliche UV-Licht-Exposition, wie zum Beispiel bei Bauarbeitern vorgelegen hat. Diese Regelung kann helfen, die Erkrankungsfolgen abzumildern. Allerdings ist es natürlich sinnvoller, weißen Hautkrebs und dessen Vorstufen bei entsprechenden Risikogruppen zu verringern und eine entsprechende Prävention zu betreiben. Für die entsprechenden präventiven Maßnahmen besteht sicher noch weiter Bedarf.

Wir bedanken uns herzlich für das Interview!

Weitere Informationen gibt es unter www.ado-homepage.de/patienten/basisinformation-hautkrebs.html

Hintergrund:

Hautkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit der größten Steigerungsrate – trotz der immensen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren auf jährlich rund 240.000 verdoppelt. Dafür werden UV-bedingte Hautschäden aufgrund intensiver Sonnenexposition in der Kindheit und Jugend mit verantwortlich gemacht. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom mit jährlich rund 140.000 Fällen, gefolgt vom kutanen Plattenepithelkarzinom mit rund 70.000 Neuerkrankungen und dem malignen Melanom mit rund 28.000 Fällen.

Die ADO (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der DKG und der DDG) organisiert Fortbildungen, Forschungsprojekte und klinische Studien, um die Qualität der dermato-onkologischen Patientenversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verbessern und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Die Ein wichtiger Fokus liegt auf der Erarbeitung diagnostischer und therapeutischer Leitlinien zu verschiedenen Hautkrebsarten wie zum malignen Melanom, Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, Merkelzellkarzinom, Kaposi-Sarkom und zu kutanen Lymphomen. Zum Austausch neuer Erkenntnisse und zur Unterstützung der Zusammenarbeit der dermatologischen Onkologie mit benachbarten Fachgebieten wird als ADO-Jahrestagung der Deutsche Hautkrebskongress durchgeführt.

www.ado-kongress.de