Karpfenfutter als Multiple Sklerose-Mittel? Traditionelle chinesische Medizin bietet ungewöhnliche Zutaten für vielversprechende Zusatzbehandlungen
Original Titel:
Chinese herbal medicine adjunct therapy in patients with acute relapse of multiple sclerosis: A systematic review and meta-analysis
Was für den Karpfen das Futter, kann eventuell bei dem Multiple Sklerose-Patienten als Ergänzungstherapie bei akuten Schüben dienen. Seidenraupenlarven, ein klassisches Futtermittel für Kois, stellen nämlich eine der häufigsten Zutaten zu chinesischer Kräutermedizin zur Behandlung Multipler Sklerose dar. Viele Patienten mit Multipler Sklerose greifen zur Ergänzung ihrer Standardbehandlung auf alternative und komplementäre Medizin, wie der traditionellen chinesischen Medizin, zurück. Aber wirkt diese Behandlung denn überhaupt? Dieser Frage gingen die Neurologen um Prof. Zheng von der Wenzhou Medizinischen Universität in China in einer vergleichenden Übersichtsstudie nach.
Die Forscher ermittelten aus 6 verschiedenen Datenbanken 20 Studien mit insgesamt 1100 Patienten. Die 5 am häufigsten gebrauchten Zutaten zur Kräutermedizin als Zusatztherapie bei Multipler Sklerose waren die Chinesische Engelwurz, die Uralsüßholzwurzel, die Rote Pfingstrosenwurzel, die Rehmannia–Wurzelknolle und der Karpfen-Leckerbissen: Seidenraupenlarven. Die zusätzliche Einnahme chinesischer Kräutermedizin führte im Vergleich zur konventionellen, westlichen Behandlung allein zu einer durchschnittlichen Verbesserung des Krankheitszustands. So verbesserte sich nach Einschätzung der Patienten im EDSS-Fragebogen (expanded disability status scale) die krankheitsbedingte Beeinträchtigung (p < 0,01). Klinisch zeigte sich eine reduzierte Häufigkeit der Krankheitsschübe pro Jahr (p < 0,01). Insgesamt bewertet war die Behandlung mit Zusatztherapie wirksamer als ohne (p < 0,01). Die Patienten schienen auch bei der Dauer zwischen den Schüben von der zusätzlichen chinesischen Kräutermedizin zu profitieren (p < 0,01). In 6 Studien wurden unerwünschte Nebenwirkungen dokumentiert. Allgemein schien die Behandlung allerdings gut verträglich zu sein.
Die Studienautoren schlussfolgerten, dass chinesische Kräutermedizin bei Patienten mit akuten Schüben der Multiplen Sklerose womöglich eine sinnvolle Zusatzbehandlung sein kann. Allerdings bemängelten sie die schlechte methodische Qualität einiger Studien – eine klare Empfehlung für die chinesische Kräutermedizin wollten sie daher nicht geben. Es werden also neue, besser durchgeführte Studien zu diesem Thema benötigt. Ob Patienten mit Multipler Sklerose nun dem Koi in der Nachbarschaft die Larven wegknabbern sollten? Immerhin werden in seidenproduzierenden Gegenden in Asien die Seidenraupenlarven auch als Nahrungsmittel verwendet, die Nebenwirkungen könnten also überschaubar sein. Allerdings sind sie hierzulande noch nicht als Lebensmittel (für Menschen) zugelassen. Vorerst wird man sich also bei Interesse mit der am wenigsten schmackhaften Form, dem Pulver aus der Kräutermedizin, begnügen müssen.
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