Zukunftsfähige Diabetesversorgung: Die Krankenhausreform als Scheidepunkt für Menschen mit Diabetes
Berlin – Bereits heute hat jeder fünfte Klinikpatient einen Diabetes mellitus – das entspricht etwa 3 Millionen stationären Behandlungen pro Jahr. Wie will die Krankenhausreform eine zukunftsfähige Diabetesversorgung sicherstellen? Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisiert, dass die kürzlich von Bundesgesundheitsminister Lauterbach vorgestellten Eckpunkte zur Reform derzeit noch keine ausreichend qualifizierte Diabetesexpertise in allen Versorgungsleveln vorsehen und damit die Behandlungsqualität in Zukunft gefährden. Die Einführung von Vorhaltepauschalen begrüßt die DDG als einen absolut notwendigen Schritt. Sie warnt jedoch davor, dass der Bereich „Komplex Diabetologie/Endokrinologie“ nach den vorgestellten Eckpunkten wie schon vor der Reform unterfinanziert sein wird. Zudem würden diabetologische Leistungen weiterhin nicht angemessen vergütet.
Lediglich 17 Prozent aller Kliniken in Deutschland halten derzeit eine ausreichende Diabetesexpertise vor. Der Grund dafür liegt in der knapp bemessenen Vergütung, die für viele Leistungen der diabetologischen Behandlung im DRG-Katalog vorgesehen sind. „Es gibt kaum einen medizinischen Fachbereich, der über die letzten Jahre und Jahrzehnte finanziell und personell so ausgeblutet ist“, so DDG Präsident Professor Dr. med. Andreas Fritsche aus Tübingen. Dies habe zur Folge, dass die stetig wachsende Anzahl an Diabetespatientinnen und -patienten oft nicht mehr leitliniengerecht behandelt werde. Der Komplexität der sehr heterogenen Erkrankung würde so kaum noch Rechnung getragen, so der Experte. „Der Aufenthalt in Krankenhäusern ist für Menschen mit Diabetes zunehmend gefährlich, weil sie oft keinen qualifizierten Ansprechpartner für ihre Erkrankung haben!“ Das sei besonders dann der Fall, wenn die Betroffenen mit einer Diabeteserkrankung als Nebendiagnose aufgenommen werden und wegen einer anderen Behandlung vor Ort sind.
Unterversorgung von Menschen mit Diabetes: Kann die Krankenhausreform etwas ändern?
„Wir begrüßen daher die Vorschläge zur Neuordnung der Krankenhauslandschaft ausdrücklich. Die Zentralisierung von Versorgungsleistungen und Finanzierung von Vorhaltekosten werden insbesondere in der Diabetologie seit langem gefordert“, betont DDG Mediensprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. „Doch momentan droht einer adäquaten diabetologischen Versorgung auch nach der Krankenhausreform praktisch das Aus.“ Die Regierungskommission subsummiert derzeit die Diabetologie in Level-I-Krankenhäusern unter ‚Basisbehandlung Innere Medizin‘. So sei nicht gewährleistet, dass jede Klinik auch eine speziell diabetologische Expertise aufweist, kritisiert der Experte.
„Doch eine flächendeckende und verlässliche, sichere Grundversorgung für die zurzeit rund 8,7 Millionen Menschen mit Diabetes ist nur sichergestellt, wenn Krankenhäuser aller Versorgungslevel eine entsprechende Diabetesexpertise vorhalten“, mahnt der Tübinger Diabetologe Gallwitz. Angesichts der steigenden Patientenzahlen sei außerdem wichtig, die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Diabetologie konsequent zu fördern und in allen Versorgungsleveln zu berücksichtigen: „Es ist besonders wichtig, Medizinstudierende und angehende Fachärztinnen und Fachärzte möglichst früh für die Diabetologie und die besonderen medizinischen Bedürfnisse diabetologischer Patientinnen und Patienten zu sensibilisieren“, so Gallwitz.
Mindestanforderungen und Vorhaltepauschalen: Die Krankenhausreform als Chance
Die DDG bringt sich im Schulterschluss mit anderen Fachgesellschaften maßgeblich in die Krankenhausreform ein. Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat sie wichtige Eckpunkte für die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Leistungskomplexe Diabetologie/Endokrinologie definiert. Sie merken dazu an: „Grundsätzlich ist es schwierig, wenn die Vorhaltepauschalen sich weiter über Falldefinitionen und einen ICD-Code definieren“, so DDG Präsident Fritsche. Die dann zunehmende Überschneidung von verschiedenen Leistungsgruppen, so der Experte, schaffe direkt oder indirekt abermals eine wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den internistischen Schwerpunkten: „Als Sprechende Medizin steht die Diabetologie schon heute im DRG-System schlecht da – ohne grundlegende Änderungen wird sich dieses Dilemma nicht lösen.“
Fritsche fordert deshalb, die Krankenhausreform als Chance zu nutzen und diabetologische Leistungen attraktiv zu gestalten. Das beginnt für ihn nun bei den Mindestanforderungen für die jeweilige medizinische Ausstattung und Personalplanung, bei der es um die gelungene Balance gehe: Die Mindestanforderungen für diabetologische Leistungen müsse auskömmlich geplant werden, sodass das breite Aufgabenspektrum und große Behandlungsteam mit einer passenden Finanzierung möglich bleibt und zukunftsfähig ist. Von der Closed-Loop-Insulindosierung, über Diabetesfachschulungen, Konsil per Telemedizin, hin zur Behandlung von Kindern und Schwangeren mit Diabetes oder eines diabetischen Fußpatienten oder Menschen mit Diabetes und weiteren Folge- oder Nebenerkrankungen: „An keiner Stelle darf die Krankenhausreform zum Abbauprogramm für das medizinische Fachpersonal werden oder zu einem Fachkomplex heranwachsen, der über die Maßen kostenintensiv ist“, so DDG Präsident Fritsche. „Die Diabetologie leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der heterogenen Volkskrankheit Diabetes. Dies muss sich in der Positionierung des Faches in der zukünftigen Krankenhauslandschaft auf allen Leveln wiederfinden – für eine hochwertige Versorgung der vielen Millionen Menschen mit Diabetes.“
Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9300 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.Kontakt für Journalistinnen und Journalisten: