Daten der ARIC-Studie zeigen kumulatives Demenzrisiko bei langfristigem Gebrauch von Protonenpumpenhemmern
Protonenpumpenhemmer (PPI) werden weltweit relativ großzügig bereits bei leichten Magenbeschwerden und Sodbrennen eingenommen, um die Magensäure zu reduzieren. Der Dauergebrauch ist nicht selten, obwohl PPI dafür nicht zugelassen sind. Einige Studien zeigten in der Vergangenheit wiederholt Hinweise auf den möglichen Anstieg des Demenzrisikos durch PPI-Einnahme. Andere Erhebungen konnten dies nicht bestätigen, so auch zwei jüngere Metaanalysen. Die Auswertung von Daten aus der prospektiven, bevölkerungsbasierten, longitudinalen ARIC-Studie [1] liefert nun neue Evidenz, dass die kumulative Anwendung von PPI über einen Zeitraum von >4,4 Jahren mit einem erhöhten Demenzrisiko assoziiert ist.
Protonenpumpenhemmer (PPI) reduzieren die Magensäureproduktion und werden zur Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) und bei Magengeschwüren eingesetzt. Empfohlen wird dabei die Behandlung von 4-8 Wochen. Obwohl für den Dauergebrauch keine Zulassung besteht, ist die chronische Einnahme von PPI weit verbreitet. In kleinen Mengen sind die Tabletten rezeptfrei erhältlich, aber auch die Verschreibungen nehmen in den letzten Jahrzehnten weltweit zu – so hat sich der PPI-Einsatz in den USA beispielsweise von 2002 bis 2009 verdoppelt [2].
Seit einiger Zeit wird die chronische Einnahme von PPI mit verschiedenen chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht wie Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen, chronische Nierenerkrankungen und Demenz. Für den Zusammenhang zwischen PPI-Konsum und Demenz zeigten bisherige Studien widersprüchliche Ergebnisse. Zwei aktuelle Metaanalysen konnten den Zusammenhang nicht bestätigen [3, 4]; die Qualität dieser Metaanalysen wird jedoch aus verschiedenen Gründen kritisiert, beispielsweise wegen der Heterogenität der eingeschlossenen Studien. So lag beispielsweise in vielen der Studien der Fokus gar nicht auf der Langzeit-PPI-Exposition (PPI-Nutzung war definiert als kurzfristige oder jegliche Verwendung während der Nachbeobachtungszeit).
Da die Entwicklung einer Demenz eine lange Latenzzeit aufweist, erscheint es aber sinnvoll, die kumulative Exposition (langfristig, aber auch regelmäßig kurzfristig) zu untersuchen. Die vorliegende Studie ging daher der Frage nach, ob eine längere kumulative PPI-Exposition mit einem höheren Risiko für Demenzerkrankungen einhergeht. Die verwendeten Daten stammen aus der prospektiven bevölkerungsbasierten longitudinalen ARIC-Studie („Atherosclerosis Risk in Communities“). Diese Langzeitstudie hat die umfassende Untersuchung der Ätiologie von Atherosklerose, kardiovaskulären Risikofaktoren sowie deren klinischen Folgen zum Ziel. Von 1987 bis 1989 wurden 15.792 Männer und Frauen im Alter von 45-64 Jahren in ARIC eingeschlossen.
Der PPI-Gebrauch wurde anhand einer visuellen Medikamentenerfassung bei sieben planmäßigen Klinikbesuchen zwischen 1987 und 2019 und jährlichen Studientelefonaten (ab 2012 halbjährlich) ermittelt. Die vorliegende Studie verwendet die ARIC-Visite 5 (2011 – 2013) als Basis, da ab dieser Zeit der PPI-Einsatz üblich war. Die PPI-Exposition wurde auf zwei Arten erfasst: aktuelle Verwendung bei Besuch 5 und Häufigkeit und Dauer der Verwendung vor Besuch 5. Bei Besuch 5 konnten (insgesamt 6.538 untersuchte Teilnehmende) 5.712 Personen ohne Demenz (Durchschnittsalter 75,4±5,1 Jahre; 58 % weiblich) in die Analyse einbezogen werden. Studienendpunkt war die Demenzinzidenz nach Visite 5, die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 5,5 Jahre. Die Ergebnisse wurden hinsichtlich demografischer Faktoren, Begleiterkrankungen und Begleitmedikationen statistisch adjustiert (d.h. Störeffekte herausgerechnet).
Die niedrigste kumulative PPI-Exposition aller Teilnehmenden betrug 112 Tage; die maximale 20,3 Jahre. Bei 585 Teilnehmenden wurde während des Follow-up eine Demenzdiagnose gestellt. Personen, die bei Besuch 5 aktuell PPI verwendeten, hatten kein höheres Demenzrisiko als diejenigen, die keine PPIs verwendeten. Personen mit einer kumulativen PPI-Einnahme von mehr als 4,4 Jahren vor Visite 5 hatten allerdings ein um 33% höheres Risiko (HR: 1,3) als diejenigen ohne PPI-Gebrauch. Bei geringerem PPI-Gebrauch (kumulativ <4,4 Jahre) gab es keine signifikanten
Assoziationen zum Demenzrisiko.
„Die Ergebnisse dieser Studie sind als Sicherheitssignal bei häufiger PPI-Einnahme ernst zu nehmen. Weitere Forschung ist aber dringend notwendig, um die Zusammenhänge zwischen dem kumulativen PPI-Einsatz und der Entwicklung von Demenz zu sichern und vor allem die Kausalität zu verstehen“, so Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. „Eine dauerhafte Verschreibung und die längerfristige Behandlung mit PPI ohne gesicherte Indikation sollte nicht erfolgen und die Patientinnen und Patienten sollten auf mögliche Risiken bei Langzeitgebrauch hingewiesen werden, auch in den Apotheken, da kleine PPI-Packungen frei käuflich sind.“
[1] Northuis C, Bell E, Lutsey P et al. Cumulative Use of Proton Pump Inhibitors and Risk of Dementia: The Atherosclerosis Risk in Communities Study. Neurology 2023 Aug 9; 10.1212/WNL.0000000000207747. doi: 10.1212/WNL.0000000000207747. Online ahead of print.
[2] Rotman SR, Bishop TF. Proton pump inhibitor use in the U.S. ambulatory setting, 2002-2009. PLoS One 2013; 8 (2): e56060
[3] Khan MA, Yuan Y, Iqbal U et al. No Association Linking Short-Term Proton Pump Inhibitor Use to Dementia: Systematic Review and Meta-analysis of Observational Studies. Am J Gastroenterol 2020; 115 (5): 671-678
[4] Hussain S, Singh A, Zameer S et al. No association between proton pump inhibitor use and risk of dementia: Evidence from a meta-analysis. J Gastroenterol Hepatol 2020; 35 (1): 19-28