Studie: Immun-Gen schützt vor Erkrankungen an COVID-19
Düsseldorf – Eine häufige Variante in den HLA-Genen, die die Immunabwehr gegen Krankheitserreger steuern, könnte erklären, warum einige Menschen eine Infektion mit SARS-CoV-2 schneller abwehren können und nicht an COVID-19 erkranken. Ihr Immunsystem könnte bereits durch frühere Infektionen mit harmlosen Erkältungsviren auf das Pandemie-Virus vorbereitet sein.
Wenigstens 20 Prozent aller Menschen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren, werden niemals krank. Ihr Immunsystem ist in der Lage, eine Vermehrung der Viren in den Zellen zu verhindern. „Dabei spielt das humane Leukozytenantigen HLA eine zentrale Rolle“, erläutert Prof. Dr. med. Tomas Jelinek, der wissenschaftliche Leiter des CRM Centrum für Reisemedizin. Bei den HLA handelt es sich um Glykoproteine auf der Zelloberfläche, mit deren Hilfe die Abwehrzellen des Immunsystems Informationen untereinander austauschen. Wenn ein Virus eintrifft, melden sogenannte antigenpräsentierende Zellen die Gefahr. „Dies geschieht, indem sie die Viren zerstückeln und den T-Zellen kurze Abschnitte auf ihrer Oberfläche zeigen und zwar gebunden an den HLA-Molekülen“, erläutert Professor Jelinek: „Die T-Zellen wissen dann, wie sie infizierte Zellen erkennen. Sie nutzen dies, um diese Zellen zu zerstören und die Produktion weiterer Viren zu stoppen.“
Immunologen ist seit langem bekannt, dass es Unterschiede unter den HLA gibt, die in den HLA-Genen festgelegt sind. Ein Team um Jill Hollenbach von der University of California in San Francisco hat deshalb untersucht, ob Menschen mit bestimmten HLA-Varianten bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 seltener an COVID-19 erkranken. Sie nutzten dazu die Daten von 29.947 potenziellen Knochenmarkspendern. „Bei diesen waren die HLA-Gene genau analysiert worden, weil das Übereinstimmen der HLA-Gene von Spender und Empfänger über den Erfolg einer Knochenmarktransplantation entscheidet“, sagt Professor Jelinek. Die Knochenmarkspender wurden per E-Mail eingeladen, auf einer Smartphone-App mitzuteilen, wenn sie positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden und welche Symptome sie hatten. Innerhalb von 15 Monaten infizierten sich 1.428 Teilnehmer, von denen 136 keine Symptome hatten.
Der Vergleich der HLA-Gene ergab, dass Teilnehmer mit der Variante HLA-B*15:01 mehr als doppelt so häufig ohne Beschwerden blieben. Die Überprüfung in zwei weiteren Gruppen bestätigte dies: Insgesamt hatten 25 Prozent der asymptomatischen Patienten die Variante HLA-B*15:01 gegenüber nur 8,6 Prozent der Patienten, die an COVID-19 erkrankten. Professor Jelinek erklärt: „HLA-B*15:01 könnte damit zu den wichtigen genetischen Schutzfaktoren gehören. Dies könnte erklären, warum einige Menschen die Infektion besser wegstecken als andere.“
Die Forscher in Californien haben daraufhin HLA auf den T-Zellen genauer untersucht. Dabei stellten sie fest, dass die T-Zellen besonders häufig auf einen bestimmten Abschnitt (NQK-Q8) von SARS-CoV-2 reagierten. Dies war auch bei Blutproben der Fall, die vor der Pandemie entnommen worden waren, als SARS-CoV-2 noch gar nicht existierte. Dennoch war NQK-Q8 für die T-Zellen kein Unbekannter. Die Forscher fanden heraus, dass zwei andere Coronaviren (OC43-CoV und HKU1-CoV), die seit längerem für einen Teil der jährlichen Erkältungskrankheiten verantwortlich sind, mit NQK-A8 einen ähnlichen Abschnitt in ihrem Spike-Protein haben, der ebenfalls vom HLA-System für die Alarmmeldungen genutzt wird. „Diese Kenntnis könnte Grundlage für eine Kreuzimmunität sein, bei der frühere Infektionen mit den harmlosen Erkältungsviren Menschen bei SARS-CoV-2 vor einem schweren Verlauf schützen würden“, sagt Prof. Jelinek.
Abschließend konnten die amerikanischen Forscher zeigen, dass die Variante HLA-B*15:01 die beiden Botschaften NQK-Q8 und NQK-A8 gleich gut übermitteln kann: Die beiden Abschnitte passten jedenfalls perfekt in das HLA-Molekül. Die Forscherin vermutet, dass HLA-B*15:01 die beiden Abschnitte NQK-Q8 und NQK-A8 besser an die T-Zellen präsentiert als andere HLA-Varianten. Prof. Jelinek erklärt: „In diesem Fall könnten die T-Zellen schneller und effektiver auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 reagieren und die Virusvermehrung stoppen, bevor es zu spät ist.“
Quellen:
Augusto, D.G., Murdolo, L.D., Chatzileontiadou, D.S.M. et al. A common allele of HLA is associated with asymptomatic SARS-CoV-2 infection. Nature 620, 128–136 (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-023-06331-x