Kommunikative Peroxidasen
Als reaktive Sauerstoffspezies bezeichnet man oxidierende Moleküle, die unter anderem bei der Zellatmung und bei Entzündungen entstehen. Sie können Zellbestandteile und das Erbgut schädigen. Auf der anderen Seite dienen die oxidierenden Moleküle, insbesondere die sogenannten Peroxide, auch der zellulären Signalübertragung. Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum zeigten nun, dass antioxidative Enzyme eine kommunikative Seite haben: Sie bauen Peroxide nicht einfach nur ab, sondern übertragen deren oxidative Wirkung kontrolliert auf andere Proteine und leiten damit zelluläre Signale weiter.
Bei der Zellatmung oder bei entzündlichen Prozessen können als Nebenprodukt oxidierende chemische Verbindungen entstehen, sogenannte reaktive Sauerstoffspezies. Diese reaktiven Moleküle (Oxidantien) können Zellbestandteile beschädigen und Veränderungen in der Erbsubstanz verursachen. Deshalb wird die Menge an Oxidantien in den Körperzellen streng kontrolliert und durch antioxidative Enzyme auf einem sehr niedrigen Niveau gehalten.
Auf der anderen Seite dienen körpereigene Oxidantien, insbesondere sogenannte Peroxide, auch der zellulären Kommunikation. Sie oxidieren Proteine an bestimmten Stellen und ändern dabei deren signalgebende Eigenschaften. Diese oxidativen Signale erlauben der Zelle eine schnelle Anpassung an veränderte Umwelt- und Stoffwechselbedingungen.
Allerdings haben Messungen ergeben, dass die Peroxidasen, jene Enzyme, die den Körper vor oxidativen Schäden beschützen, indem sie Peroxide abbauen, so effizient arbeiten, dass eine selektive Oxidation der Signalproteine eigentlich unmöglich sein sollte. Bisher war nicht bekannt, wie die Oxidation von Signalproteinen stattfindet, wenn Oxidantien derart effizient aus der Zelle entfernt werden.
Aktuelle Ergebnisse der Wissenschaftler um Tobias Dick am DKFZ zeigen, dass einer Klasse der Peroxidasen, den sogenannten Peroxiredoxinen, eine besondere Funktion in der zellulären Signalgebung zukommt: Sie entfernen nicht einfach nur Peroxide und schützen damit die Zelle vor unkontrollierter Oxidation, sondern sie sind auch in der Lage, die oxidative Wirkung der Peroxide in kontrollierter Weise an Signalproteine weiterzuleiten.
Offenbar gibt es eine Arbeitsteilung: Die meisten Peroxiredoxin-Moleküle entfernen Peroxide effizient und vollständig und schützen so die Zelle im Ganzen. Kleine örtliche Ansammlungen derselben Peroxiredoxine dagegen vermitteln die Oxidation benachbarter Proteine, die durch Oxidation in ihrer Funktion reguliert werden.
Dies fanden die Forscher heraus, indem sie die genetische Information für Peroxiredoxine aus dem Erbgut menschlicher Zellen entfernten. Entgegen der allgemeinen Erwartung nahm die Oxidation der zellulären Proteine dabei nicht zu. Stattdessen war die Oxidation von Signalproteinen reduziert.
„Wir haben in dieser Studie beobachtet, dass ohne Peroxiredoxine so gut wie gar keine Signalproteine oxidiert werden“, so Sarah Stöcker, Erstautorin der Publikation. „Peroxidasen verhindern also nicht nur die negativen Folgen der Bildung von Oxidantien, sondern vermitteln gleichzeitig auch deren positive Funktion als Signale. Peroxidasen sind zwar globale Antioxidantien, aber trotzdem auch lokale Oxidationsmittel, wie wir jetzt wissen.“
Die neuen Ergebnisse regen dazu an, die Rolle der antioxidativen Enzyme bei der Krebsentstehung zu überdenken. „Die Expression der Peroxidasen ist im Tumorgewebe häufig verändert. Krebsforscher interessierten sich bisher für die Folgen dieser Störung mit Blick auf die antioxidative Funktion“, so Tobias Dick. „Jetzt stellt sich die Frage, ob auch die Störung der kommunikativen Funktion der Peroxidasen eine Bedeutung bei der Krebsentstehung haben könnte.“
Das Forschungsprojekt ist Teil des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs 1036, der im Rahmen der DKFZ-ZMBH Allianz grundlegende Mechanismen zellulärer Stressantworten erforscht.
Sarah Stöcker, Michael Maurer, Thomas Ruppert, Tobias P. Dick (2017): A role for 2-Cys peroxiredoxins in facilitating cytosolic protein thiol oxidation.
Nature Chemical Biology 2017, DOI: 10.1038/nchembio.2536