Keine Empfehlung für Vitamin E oder Selen zur Vorbeugung von Alzheimerdemenz: große Studie zeigt keine Verringerung der Demenzhäufigkeit bei Männern
Original Titel:
Association of Antioxidant Supplement Use and Dementia in the Prevention of Alzheimer's Disease by Vitamin E and Selenium Trial (PREADViSE).
Nahrungsergänzungsmittel stellen einen großen Markt mit großen Versprechungen an die Patienten dar – aber können sie diese auch immer halten? Aus der neueren Forschung ist klar, dass bei Demenz Faktoren wie die Überlastungen der Kraftwerke unserer Körperzellen, oxidativer Stress genannt, eine Rolle spielen. Während der Energiebereitstellung fällt freier Sauerstoff an, sogenannte freie Radikale, der schnell Verbindungen mit vielen Substanzen eingehen und sie so auch bis hin zur Unbrauchbarkeit schädigen kann. Um diese Radikale abzufangen und zu neutralisieren, werden Antioxidantien benutzt. Solche Radikalfänger nun sogar vorbeugend oder symptomlindernd einzusetzen ist der Traum der Industrie für pharmazeutische Nährstoffe, den Neutrazeutika, aber sicherlich auch jedes Patienten oder Angehörigen. Zwei solcher Antioxidantien, die bei Zellreparaturen essentiell sind, sind Vitamin E und Selen. Die Wissenschaftler um Dr. Kryscio und Prof. Schmitt am Sanders-Brown Zentrum für Alterung in Lexington (Kentucky) in den USA untersuchten daher nun an einer großen Patientengruppe, ob die regelmäßige Einnahme von Vitamin E und Selen die Anzahl der Demenzerkrankungen verringern kann.
Die PREADViSE-Studie (Prevention of Alzheimer’s Disease by Vitamin E and Selenium) begann in 2002 als ergänzender Partner zu einer Studie zur Prävention von Prostatakrebs mittels Vitamin E, Selen, Vitamin E in Kombination mit Selen oder Placebo – diese Studie wurde allerdings wegen Mangels an Schutzwirkung abgebrochen. Für die Demenzpräventionsstudie wurden die 7540 Teilnehmer, die mindestens 60 Jahre alt waren, zufällig, also randomisiert, einer Testsubstanzgruppe zugeordnet. Weder Teilnehmer noch ihre Ärzte an den 130 Studienzentren waren informiert, welche Substanz sie einnahmen, die Studie lief also doppelblind ab. In dieser Studienphase wurden die Männer in den Studienzentren auf Demenzsymptome getestet. Diese ursprüngliche Studie endete 2009 und wurde mit 3786 der ursprünglichen Teilnehmer als über mehrere Jahre beobachtende sogenannte Kohortenstudie fortgeführt. Die Männer wurden regelmäßig per Telefon auf eventuelle Symptome einer Demenz in ihrer Denkleistung getestet, und waren auch ermuntert, ihren Arzt bei Auffälligkeiten in der Denkleistung aufzusuchen. Eventuelle Demenzfälle wurden schließlich bei der Studienanalyse berücksichtigt.
Die Teilnehmer nahmen die Nahrungsergänzungsmittel bzw. Placebo durchschnittlich für 5,4 Jahre ein und mehr als die Hälfte wurden für weitere 6 Jahre beobachtet. Im Mittel waren die anfänglich 7540 Teilnehmer 67,5 Jahre alt. 3936 (52,2 %) davon hatten eine Universität besucht, 754 (10,0 %) waren Schwarze und 505 (6,7 %) Hispanisch. Die Demenzhäufigkeit zwischen den vier Behandlungsgruppen war identisch und betraf 325 der 7338 Männer (4,4 %). Wenn in der Analyse demographische Information und selbstberichtete Vorerkrankungen berücksichtigt wurden, waren die Wahrscheinlichkeiten, dass die Männer mit Nahrungsmittelzusatz eine Demenz entwickelten (hazard ratio, HR) für die Wirkstoffgruppen Vitamin E (HR = 0,88), Selen (HR = 0,83) und der Kombination der beiden (HR = 1,0) nicht anders als mit Placebo. Diese Ergebnisse zeigen demnach keinen Erfolg von Vitamin E und Selen bei der Vorbeugung von Demenzerkrankungen.
Zumindest bei der Vorbeugung einer Alzheimerdemenz kann also nach dieser großen Studie keine Empfehlung für die Nahrungsergänzungsmittel Vitamin E und Selen ausgesprochen werden.
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