Valproat enthaltende Arzneimittel: PRAC empfiehlt neue Maßnahmen, um eine Valproatexposition in der Schwangerschaft zu vermeiden
Datum 09.02.2018
Wirkstoff Valproat
Neue Einschränkungen zur Anwendung, Einführung eines Schwangerschaftsverhütungsprogramms vorgesehen
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) empfiehlt neue Einschränkungen, um eine Valproat-Exposition ungeborener Kinder im Mutterleib zu vermeiden; Eine Valproat-Exposition ungeborener Kinder kann zu angeborenen Missbildungen und Entwicklungsstörungen führen.
Welche zentralen Maßnahmen empfiehlt der PRAC?
- Bei bestehender Zulassung für bipolare Störungen oder Migräne:
- Während der Schwangerschaft – Valproat darf nicht angewendet werden.
- Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter – Valproat darf nicht angewendet werden, es sei denn, die Bedingungen des neu eingeführten Schwangerschaftsverhütungsprogramms (s. unten) werden erfüllt.
- Bei Epilepsie:
- Während der Schwangerschaft – Valproat darf nicht angewendet werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es bei einigen Patientinnen mit Epilepsie nicht möglich sein wird die Valproat-Therapie abzubrechen, so dass die Behandlung (unter fachspezifischer Betreuung) während der Schwangerschaft bei diesen Patientinnen fortgeführt werden muss.
- Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter – Valproat darf nicht angewendet werden, es sei denn, die Bedingungen des neu eingeführten Schwangerschaftsverhütungsprogramms (s. unten) werden erfüllt.
- Des Weiteren empfiehlt der PRAC, dass die äußere Verpackung Valproat-haltiger Arzneimittel durch visuelle Warnhinweise zum Risiko der Anwendung in der Schwangerschaft ergänzt wird.
- Eine Patientenerinnerungskarte wird der äußeren Verpackung beigefügt, so dass die Apotheker die Patientinnen bei jeder Abgabe auf die bestehenden Risiken hinweisen können.
- Pharmazeutische Unternehmer, die Valproat in den Verkehr bringen, müssen aktualisiertes Schulungsmaterial in Form eines Leitfadens für Angehörige der Heilberufe und einer Patienteninformationsbroschüre zur Verfügung stellen.
Was sind die wichtigsten Aspekte des neu eingeführten Schwangerschaftsverhütungsprogramms?
- Bewertung der Patientinnen hinsichtlich ihrer Gebärfähigkeit. Hierzu ist es ratsam, die Patientin für eine fundierte Entscheidung in die Bewertung bezüglicher ihrer individuellen Umstände mit einzubeziehen.
- Durchführung von Schwangerschaftstests vor Therapiebeginn und bei Bedarf während der Therapie
- Beratung von Patientinnen über die Risiken einer Behandlung mit Valproat,
- Aufklärung über die Notwendigkeit einer wirksamen Schwangerschaftsverhütung während der gesamten Behandlungsdauer,
- Durchführung von mindestens jährlichen fachärztlichen Kontrollen der Behandlung
- Einführung eines neuen Bestätigungsformulars, auf dem dokumentiert wird, dass Patientinnen, eine angemessene Beratung durch den verordnenden Arzt erfolgt ist und diese verstanden wurde.
Arzneimittel, die Valproat enthalten, sind im Rahmen nationaler Zulassungsverfahren innerhalb der EU zur Behandlung von Epilepsie und bipolaren Störungen zugelassen. In einigen Ländern besteht auch eine Zulassung zur Vorbeugung von Migräne. Es ist bekannt, dass eine Valproat-Exposition von Ungeborenen im Mutterleib zu einem erheblichen Risiko angeborener Missbildungen und Entwicklungsstörungen führen kann. In einem früheren Bewertungsverfahren wurden bereits Maßnahmen empfohlen, welche die bessere Information der Frauen über diese Risiken zum Ziel hatte, um die Anwendung der Medikamente in der Schwangerschaft zu verringern und einen Therapiebeginn zu verhindern, sofern andere Therapiealternativen unwirksam wären oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht angewendet werden konnten. Die jetzige Bewertung wurde eingeleitet, weil Bedenken bestanden, dass diese Maßnahmen nicht ausreichend wirksam waren.
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) untersuchte die zur Verfügung stehenden Daten und beriet sich umfassend mit Angehörigen der Heilberufe sowie Frauen und deren Kindern, die infolge einer Valproat-Exposition während der Schwangerschaft geschädigt wurden, i.R. von schriftlichen Stellungnahmen, Beratungen mit Experten, Treffen mit Interessengruppen, inklusive Angehörige der Heilberufe, Patientenorganisationen, Patienten und deren Familien sowie im Rahmen einer öffentlichen Anhörung.
Der PRAC stellte fest, dass Frauen weiterhin nicht immer rechtzeitig die erforderliche Information erhielten und dass weitere Maßnahmen benötigt werden, um eine Einnahme während der Schwangerschaft zu vermeiden. Es war jedoch andererseits offensichtlich, dass für einige Frauen mit spezifischen Formen der Epilepsie, Valproat die einzige optimale und unter Umständen lebensrettende Behandlung darstellt.
Der PRAC war daher der Auffassung, dass die Vorgaben zur Anwendung geändert werden sollten. Er empfahl eine Verschärfung der Anwendungsbeschränkungen und die Einführung weiterer Maßnahmen zur Beratung und Information betroffener Frauen.
Darüber hinaus empfahl der PRAC, dass Firmen, die dieses Medikament vermarkten, weitere Studien durchführen, um Art und Umfang der durch Valproat hervorgerufenen Risiken weiter zu charakterisieren, die weitere Verwendung von Valproat zu beobachten und dessen langfristige Wirkung im Falle einer Einnahme während der Schwangerschaft nachzuverfolgen.
Weil Valproat enthaltende Arzneimittel ausschließlich im Rahmen nationaler Zulassungsverfahren zugelassen wurden, werden die Empfehlungen des PRAC nun an die Koordinierungsgruppe für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren – Humanarzneimittel (CMDh) gesandt. Die CMDh wird hierzu eine Stellungnahme abgeben.
In der Zwischenzeit wird empfohlen, dass Frauen, die Bedenken bezüglich der Einnahme von Valproat haben, sich an ihren Arzt wenden. Frauen und Mädchen, denen Valproat verschrieben wurde, sollten das Medikament nicht absetzen, ohne sich mit ihrem Arzt diesbezüglich abzustimmen, da ein Therapieabbruch zu gesundheitlichen Schäden bei sich selbst oder ihrem ungeborenen Kind führen könnte.
Mehr über das Arzneimittel:
Valproat enthaltende Arzneimittel sind zur Behandlung von bipolaren Störungen und Epilepsie und in einigen EU-Mitgliedsstaaten auch zur Therapie der Migräne zugelassen.
Diese Arzneimittel enthalten Valproinsäure oder deren Salze (Magnesiumvalproat, Natriumvalproat, Valproat-Seminatrium) oder Valpromid als Wirkstoff und sind über nationale Verfahren in allen EU-Mitgliedstaaten und in Norwegen und Island zugelassen. Sie werden unter unterschiedlichen Markennamen vermarktet: Absenor, Convival Chrono, Convulex, Delepsine, Depakin, Depakine, Depakote, Depamag, Depamide, Deprakine, Diplexil, Dipromal, Epilim, Episenta, Epival, Ergenyl, Espa-Valept, Hexaquin, Kentlim, Leptilan, Micropakine L.P., Orfiril, Petilin, Valepil, Valhel PR, Valpal, Valpro and Valprolek.
Mehr zum Verfahren:
Das Risikobewertungsverfahren Valproat wurde am 9. März 2017 auf Ersuchen der französischen Arzneimittel-Agentur (ANSM) gem. Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EC eingeleitet.
Das Risikobewertungsverfahren wurde vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) – zuständig für die Einschätzung von Sicherheitsfragen für Humanarzneimittel – durchgeführt und hat eine Anzahl von Empfehlungen abgegeben. Die Empfehlungen des PRAC werden nun der Koordinierungsgruppe für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren – Humanarzneimittel (CMDh) gesandt, die auf dieser Grundlage Stellung beziehen wird. Die CMDh ist ein Gremium, das die EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen vertritt und dafür verantwortlich ist, harmonisierte Sicherheitsstandards für Arzneimittel zu gewährleisten, die über nationale Verfahren in der EU zugelassen sind.
14.03.2017 – Start des Verfahrens
Zum früheren Bewertungsverfahren:
Valproat enthaltende Arzneimittel: Risiken bei Anwendung in der Schwangerschaft
Details zu dem Verfahren können unter folgendem Link bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) abgerufen werden:
Valproate and related substances