Schwarzen Hautkrebs in den Tiefschlaf versetzen
Ein internationales Forschungsteam um Prof. Clemens A. Schmitt von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) und vom Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) hat dem schwarzen Hautkrebs Einhalt geboten, indem es ein Schutzprogramm in den Tumorzellen reaktivierte und so das Zellwachstum stoppte. Mit chemischen Wirkstoffen blockierte das Team Enzyme, die epigenetische Markierungen auf dem Erbgut ausradieren. Die Entdeckung hat Potenzial für zukünftige Kombinationstherapien und wurde jetzt im Fachjournal Cancer Cell* publiziert.
Ein endgültiger Zellteilungsstopp, die zelluläre Seneszenz, verhindert normalerweise, dass aus mutierten Zellen Tumoren werden. Die Zellen fallen in eine Art Tiefschlaf. Epigenetische Markierungen an den Eiweißbausteinen des Erbguts erhalten dieses Schutzprogramm aufrecht. Krebszellen hebeln diesen Schutzmechanismus auf der epigenetischen Ebene aus – wie, war bislang unbekannt. Nun zeigte sich: Bei Krebs radieren bestimmte Enzyme die Markierungen oft aus. Werden diese Demethylasen medikamentös gehemmt, kann das Schutzprogramm erneut starten.
Fast 500 Gewebeproben von Erkrankten mit schwarzem Hautkrebs (Melanom) untersuchte das Forschungsteam für die Studie. Bei etwa einem Drittel der Proben fanden die Forschenden eine deutliche Mehrproduktion solcher Demethylasen, die das Schutzprogramm hemmen können. In Melanom-Zellkulturen sowie bei Mäusen und Zebrafischen mit schwarzem Hautkrebs veränderten die Forscherinnen und Forscher die Aktivität dieser Enzyme genetisch und blockierten sie gezielt mit chemischen Wirkstoffen. Die Zellen fielen daraufhin in den Seneszenz-Schlaf und teilten sich nicht mehr. Das Experiment war sogar bei Mäusen mit implantierten menschlichem Melanom-Gewebe erfolgreich – eine bedeutsame Information für eine mögliche zukünftige Patientenanwendung. Eine der Substanzen wird derzeit als Medikament gegen Lungen- und Blutkrebs in klinischen Studien erprobt. Bei Untersuchungen an Melanom-Proben von Mäusen beobachtete das Forschungsteam, dass Immunzellen ins Tumorgewebe einwanderten, nachdem sie das Seneszenz-Programm mit Medikamenten reaktiviert hatten. Auch diese wichtige Erkenntnis wäre ohne Tierversuche nicht möglich gewesen.
Neben dem programmierten Zelltod ist die zelluläre Seneszenz eine wesentliche Verteidigungslinie des Körpers gegen Krebs. Das Schutzprogramm legt Gene, die die Zellteilung steuern, epigenetisch still. Sogenannte Methyltransferase-Enzyme markieren dafür Histon-Proteine, auf die das Erbgut aufgewickelt ist. Diese Markierung inaktiviert den Histon-benachbarten DNA-Abschnitt. Prof. Schmitt und sein Team untersuchten zwei unterschiedliche Demethylase-Enzyme, die als Gegenspieler diesen Prozess rückgängig machen. Sie sind für die Seneszenz-Kontrolle entscheidend, da sie die Histon-Markierung wieder „ausradieren“.
Die zelluläre Seneszenz ist zwar ein wichtiger und erwünschter Therapie-Effekt, der Tumoren an weiterem Wachstum hindert. Doch sie hat nicht allein Krebs-blockierende Funktionen, wie die Forscher um Prof. Schmitt kürzlich in der Fachzeitschrift Nature berichteten. Für Prof. Schmitt birgt der entdeckte Seneszenz-Mechanismus, wegen der beobachteten Einwanderung von Immunzellen in den Tumor, Potenzial für eine neue Art von Kombinationstherapie. „Wir vermuten, dass Demethylase-Blocker zusammen mit einer zielgerichteten Immuntherapie besonders wirksam sein könnten“, sagt der klinische Onkologe und Forscher, der stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Charité ist. Vielversprechend ist dies vor allem bei der Bekämpfung von schwarzem Hautkrebs, der sich schlecht mit einer Chemotherapie, aber besser mithilfe neuartiger Immuntherapien bekämpfen lässt. Prof. Schmitt und seine Kollegen wollen nun in klinischen Studien überprüfen, wie gut sich Immun- und Seneszenz-wiederherstellende Therapien kombinieren lassen.
Die Deutsche Krebshilfe und das Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) unterstützten die Studie. Es waren Forscher von der Harvard Medical School in Boston, dem Niederländischen Krebs-Institut (NKI) in Amsterdam, dem Weizmann-Institut für Wissenschaften bei Tel Aviv und dem Imperial College in London beteiligt.
*Yong Yu et al. (2018): „Targeting the Senescence-Overriding Cooperative Activity of Structurally Unrelated H3K9 Demethylases in Melanoma.“ Cancer Cell 33. doi:10.1016/j.ccell.2018.01.002
Downloads:
Melanomzellen unter dem Mikroskop; Bild: AG Clemens A. Schmitt, Charité – Universitätsmedizin Berlin (1.1 MB)
Links:
Website der Arbeitsgruppe von Prof. Schmitt: „Tumorgenetik und zelluläre Stressantworten“