Verlust von Kleinhirnnerven mitverantwortlich für Sturzgefahr bei MS-Patienten?
Original Titel:
Cerebellum and cognition in multiple sclerosis: the fall status matters
Unser Gehirn kann einen gewissen Verlust von Nervenzellen ausgleichen. Irgendwann kommt aber auch unsere Hochleistungsrechenmaschine an ihre Grenzen. Bei Multipler Sklerose (MS) kann das, wie bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen auch, zu Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten führen. Als Folge können z. B. Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis oder der Konzentration auftreten.
In unserem Gehirn ist vor allem unser Kleinhirn verantwortlich für Feinabstimmung, Koordination und die unbewusste Planung von Bewegungsabläufen, wie es beim Laufen und Gehen wichtig ist. Inzwischen wird auch vermutet, dass es ebenso an dem Umsetzen kognitiver Fähigkeiten beteiligt ist. Gibt es also vielleicht einen Zusammenhang zwischen dem Verlust von Nervenzellen im Kleinhirn, der kognitiven Leistungsfähigkeit und dem Risiko für Stürze?
Forscher wollen Mechanismen hinter Sturzgefahr verstehen
Dieser Frage ist eine Gruppe internationaler Forscher auf den Grund gegangen. Um vielleicht zukünftig medizinisch etwas gegen Stürze von MS-Patienten tun zu können, ist die Erforschung, welche Mechanismen dahinter stehen, wichtig. Dazu haben sie 140 MS-Patienten untersucht. Per Magnetresonanztomographie wurden Bilder ihrer Gehirne gemacht und anhand standarisierter Computertests ihre kognitive Leistungsfähigkeit bewertet. Dann verglichen die Forscher die Ergebnisse von Patienten, die bereits gestürzt waren mit denen von Patienten ohne Sturz-Historie.
Kleinhirn war bei MS-Patienten mit Stürzen verkleinert
Dabei stellten sie fest, dass MS-Patienten mit Stürzen ein geringeres Volumen von grauer und weißer Hirnmasse im Kleinhirn hatten und schlechtere Testergebnisse der kognitiven Leistungsfähigkeit aufwiesen, als die anderen Patienten. Einen besonderen Zusammenhang fanden die Forscher in ihren Daten zu dem Bereich des Kleinhirns, in dem Prozesse ablaufen, bei denen Gesehenes analysiert und ausgewertet wird für Dinge wie räumliches Denken, Einschätzen von Entfernungen und Orientierung.
Stürze können auch durch Verarbeitungsschwierigkeiten entstehen
Die Forscher schreiben, sie sind überzeugt, dass es eine einzigartige Beziehung zwischen der Struktur des Kleinhirns und der kognitiven Verarbeitung hinsichtlich der Fall-Historie von MS-Patienten gibt. Sie empfehlen daher, dass die Fall-Historie berücksichtigt werden sollte bei Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Hirnfunktion und kognitiver Fähigkeiten bei MS-Patienten.
Stürze können also nicht nur durch Gehbehinderungen verursacht werden, sondern auch durch Probleme der Verarbeitung bestimmter Daten im Gehirn, die für einen sicheren Gang und die Koordination von Bewegungen notwendig sind. Hier scheint der Verlust von Volumen im Kleinhirn eine Rolle zu spielen. Stürze oder Gangunsicherheiten sollten mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Ärzte und medizinisches Personal können außerdem Hinweise dazu geben, wie das Risiko für Stürze minimiert werden kann. Dazu gehört das Beseitigen von Stolperfallen, aber auch gezieltes Training. Gleichgewichtsübungen und Physiotherapie können solche Maßnahmen sein, um sich wieder sicherer auf seinen Füßen zu fühlen.
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