Bypass oder Ballonkatheter-Behandlung – Wofür würden sich die meisten Patienten entscheiden?
Original Titel:
Patients' preferences for coronary bypass grafting or staged percutaneous coronary intervention in multi-vessel coronary artery disease
Zwei gängige Methoden, mit denen Verengungen in den Herzkranzgefäßen behandelt werden, sind die Ballonkatheter-Behandlung und die Bypass-Operation. Deutsche Wissenschaftler befragten Patienten, die mit beiden Verfahren Erfahrungen gemacht hatten, welches sie bevorzugten. Die Mehrheit der Patienten entschied sich bei der hypothetischen Fragestellung für mehrere aufeinanderfolgende Ballonkatheter-Behandlungen statt für eine Bypass-Operation, um mehrere Engstellen der Koronararterien zu behandeln.
Bei der koronaren Herzkrankheit sind die Koronararterien verengt, was zu Durchblutungsstörungen führen kann. Zur Wiederherstellung der Durchblutung werden in der Regel zwei verschiedene Methoden angewandt: die Bypass-Operation und die Ballonkatheter-Behandlung (auch als PCI bezeichnet, kurz für percutaneous coronary intervention). Bei der Bypass-Operation wird eine Blutgefäßbrücke über die verengte Stelle gebildet, sodass das Blut die Verengung umfließen kann. Bei der Ballonkatheter-Behandlung wird hingegen ein Katheter verwendet, an dessen Spitze sich ein gefalteter Ballon befindet. Dieser wird durch eine Arterie zu der verengten Stelle geführt und dort entfaltet, wodurch die Engstelle geweitet wird. In einigen Studien wurden beide Methoden bereits miteinander verglichen und beide haben ihre Vor- und Nachteile. Der große Vorteil der Ballonkatheter-Behandlung besteht darin, dass diese mit einem geringeren körperlichen Eingriff verbunden ist und dass sich der Patient daher schneller von diesem Eingriff erholt. Der Vorteil der Bypass-Operation liegt laut Studien hingegen darin, dass bei Verengungen der linken Koronararterie beispielsweise nach einem solchen Eingriff seltener erneute Maßnahmen zur Wiederherstellung der Durchblutung nötig sind (Studien von Giacoppo und Kollegen und von Sá und Kollegen, 2017 in den Fachzeitschriften Journal of the American Medical Association cardiology bzw. Brazilian journal of cardiovascular surgery veröffentlicht). In der Regel entscheidet ein spezialisiertes Ärzteteam bei jedem Patienten individuell, welche Methode angewandt wird. Doch wie würden sich die Patienten entscheiden, wenn ihnen die Wahl überlassen wird? Würden sie eine der beiden Methoden bevorzugen?
Forscher befragten Patienten bereits mit beiden Methoden Erfahrungen gemacht haben
Wissenschaftler der Zentralklinik in Bad Berka und des Klinikum Westfalen in Dortmund interessierten sich für die Meinung der Patienten bezüglich der beiden Therapieoptionen. Sie befragten Patienten, die bereits mit beiden Methoden Erfahrungen gemacht haben. Die Voraussetzung für die Teilnahme an der Umfrage war, dass der Patient bereits mindestens eine Bypass-Operation und mindestens zwei Ballonkatheter-Behandlungen hinter sich hatte. Insgesamt befragten die Wissenschaftler 213 Patienten, auf denen dies zutraf. 21 von ihnen (10 %) wurden mehrfach einer Bypass-Operation unterzogen. Im Durchschnitt wurden die Patienten 4-mal mit einem Ballonkatheter behandelt. 19,7 % der Patienten berichteten von Komplikationen während der Bypass-Operation und 14 % waren nach einer Ballonkatheter-Behandlung von solchen betroffen. 15 % der Patienten hatten sowohl nach einer Bypass-Operation als auch nach einer Ballonkatheter-Behandlung mit Komplikationen zu kämpfen, während etwa die Hälfte der Patienten (51 %) komplett von Komplikation verschont blieb. Auffällig war, dass Patienten nach einer Bypass-Operation länger von Symptomen verschont blieben als nach einer Ballonkatheter-Behandlung. Der durchschnittliche Zeitraum, in dem die Patienten von Symptomen verschont blieben, war nach der Bypass-Operation 5,2 Jahre und nach der Ballonkatheter-Behandlung 1,8 Jahre lang. Was die Erholungszeit angeht, so hatte die Ballonkatheter-Behandlung jedoch deutlich die Nase vorn. Diese betrug nach der Ballonkatheter-Behandlung durchschnittlich 9,2 Tage, während sie nach einer Bypass-Operation durchschnittlich 136,4 Tage andauerte.
Die meisten Patienten würden sich für aufeinanderfolgenden Ballonkatheter-Behandlungen entscheiden
Alle Patienten wurden gefragt, für welche Behandlungsform (Bypass-Operation oder hintereinander durchgeführte Ballonkatheter-Behandlungen) sie sich entscheiden würden, wenn sie mehrere Verengungen der Koronararterien aufwiesen und beide Methoden gleichermaßen die Symptome und das Überleben verbessern würden. Basierend auf ihren Erfahrungen, die die Patienten mit beiden Methoden gemacht haben, würde die Mehrheit (67 %) die aufeinanderfolgenden Ballonkatheter-Behandlungen bevorzugen, während sich 15 % der Befragten für eine Bypass-Operation entscheiden würden. Die restlichen 18 % der Teilnehmer hatten hingegen keine Präferenz und waren mit beiden Behandlungsmethoden gleichermaßen zufrieden. Interessant war, dass mehr Teilnehmer die Ballonkatheter-Behandlung bevorzugten, wenn sie 70 Jahre oder älter waren, wenn sie nach der Bypass-Operation unter Komplikationen gelitten hatten und wenn bei ihnen die Bypass-Operation zuerst durchgeführt wurde. Das Geschlecht, die Anzahl der erlebten Bypass-Operationen und Ballonkatheter-Behandlungen und Komplikationen nach der Ballonkatheter-Behandlung hatten hingegen keine Auswirkungen auf die Entscheidung der Studienteilnehmer.
Basierend auf ihren Erfahrungen entschied sich die Mehrheit der Patienten bei der hypothetischen Fragestellung für mehrere aufeinanderfolgende Ballonkatheter-Behandlungen statt für eine Bypass-Operation, um mehrere Engstellen der Koronararterien zu behandeln. Die Entscheidung stand mit dem Alter, mit erlebten Komplikationen nach einer Bypass-Operation und mit der zuerst durchgeführten Behandlungsmethode im Zusammenhang.
© Alle Rechte: HealthCom