Wenn Zwänge das Leben bestimmen

Neue Website soll mit Vorurteilen gegen Zwangsstörungen aufräumen

Betroffene leiden meist doppelt. An der Erkrankung selbst und an den Vorurteilen, die ihnen im Alltag begegnen. Unter Leitung von Prof. Dr. Tobias Hauser, Professor für Computational Psychiatry an der Universität Tübingen, ist eine Website entstanden, die über die Krankheit aufklären und deren Wirkmechanismen im Gehirn erklären soll.

Ist der Herd noch eingeschaltet? Und ist die Haustür auch wirklich abgeschlossen? Sich solche Fragen nach dem Verlassen der Wohnung zu stellen, kennt wohl jeder und jede. Wenn aber solche Gedanken einen Zwang auslösen, dem dann unbedingt nachgegeben werden muss, kann eine sogenannte Zwangsstörung vorliegen. Den meisten Erkrankten ist bewusst, dass ihre Handlungen nicht sinnvoll sind. Ihre Gewohnheiten ohne weiteres ablegen können sie allerdings nicht. Dem Drang standzuhalten, empfinden sie als große Belastung.

Zwangsstörungen ernst nehmen

Zwangsstörungen sind eine psychische Erkrankung, unter der gut drei Prozent der Bevölkerung leiden. Dennoch treffen Betroffene bei Mitmenschen häufig auf Unverständnis oder Vorurteile. Mit diesen möchte der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Tobias Hauser aufräumen: „Eines muss ganz klar festgehalten werden: Die Zwangsstörung ist eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung und keine lästige Angewohnheit!“, stellt Prof. Hauser klar. Als Neurowissenschaftler arbeitet er hauptsächlich im Bereich von Zwangs- und Impulsivitätsstörungen bei Kindern- und Jugendlichen. „Wir gehen davon aus, dass Schwierigkeiten bei der Umschaltung zwischen der Verarbeitung verschiedener Arten von Informationen und der Regulierung der Informationsflüsse im Gehirn dazu führen können, dass Menschen unter Zwangsgedanken und Zwangshandlungen leiden“, erläutert Prof. Hauser eine der möglichen Ursachen.

Website soll mit Vorurteilen aufräumen und Verständnis schaffen

Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen vom University College London hat Hauser mit Betroffenen und deren Angehörigen zusammengearbeitet, um die Website „OCD and the Brain“ zu entwickeln. OCD ist die Abkürzung für „Obsessive Compulsive Disorder“ und steht für das deutsche Wort „Zwangsstörung“. Das Ziel des Angebotes: Betroffenen einen Überblick zu all dem zu geben, was sie über ihre Erkrankung wissen sollten – und was ihnen helfen könnte, damit besser umzugehen. Die Website informiert deshalb in einem „A-Z“ über wichtige Themen rund um Zwangsstörungen. In einem Video und in Wissenssammlungen lernen Leserinnen und Leser, wie das Gehirn von Betroffenen arbeitet.

Zudem listet die Website zahlreiche Hilfs- und Gruppenangebote auf, die Betroffenen helfen können, sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen. Die Entwicklung der deutschen Version der Webseite wurde durch Fördermittel der Carl-Zeiss-Stiftung finanziert.

„Wir erhoffen uns von der Webseite, dass die Zwangsstörung als Hirnerkrankung anerkannt wird und wir somit Vorurteile abbauen können. Wir möchten auch Betroffenen eine Plattform geben, wo sie die neuesten Informationen rund um Zwangsstörungen und Hirnforschung abrufen können“, sagt Prof. Hauser.

Weitere Informationen über das Projekt und das Team dahinter finden Sie auf der Website: https://ocdandthebrain.com/

Über die Carl-Zeiss-Stiftung

Die Carl-Zeiss-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Freiräume für wissenschaftliche Durchbrüche zu schaffen. Als Partner exzellenter Wissenschaft unterstützt sie sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung und Lehre in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ältesten und größten privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und SCHOTT AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.