Ist die Lidocain-Nasenanwendung für Migräne in der Notaufnahme besser als ein Placebo?
Original Titel:
Intranasal Lidocaine in Acute Treatment of Migraine: A Randomized Controlled Trial
In dieser Studie zeigte sich kein Vorteil einer Behandlung mit dem betäubenden Schmerzmittel Lidocain – das Scheinmedikament wirkte vergleichbar. Die Studienautoren zeigen damit, dass der Einsatz des Mittels vermutlich nicht die Antwort auf alle Fragen in der akuten Migränebehandlung ist. Sie spekulieren weiter, dass der Zeitpunkt der Behandlung kritisch sein könnte. Daher schlagen sie vor, in weiteren Studien besonders früh nach Beginn der Kopfschmerzphase eines akuten Migräneanfalls mit Lidocain zu behandeln. Was bedeutet dies für Patienten? Frühere Studien konnten gute Wirksamkeit von Lidocain bei akuter Migräne demonstrieren – jedoch scheint dieser Behandlungserfolg, wie diese aktuelle Studie zeigte, nicht allgemeingültig zu sein. Zwar scheint das Mittel Potential zu haben. Möglicherweise ist sein Nutzen aber nicht auf die Notaufnahme beschränkt, sondern eventuell eher für akute Abhilfe für Betroffene zuhause, wie auch schon bei Clusterkopfschmerzen, geeignet. Beispielsweise könnte Lidocain als Akutmedikament auch in der Schwangerschaft nützlich sein, wie eine neuere Übersichtsstudie beschrieb. Allerdings scheint es vor allem bei Anwendung in der Nase noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf zu geben.
Mehrere Studien haben inzwischen den Effekt von Lidocain bei der Behandlung von Migräne untersucht – oft mit vielversprechenden Ergebnissen. Teilweise waren die Behandlungserfolge im Vergleich zu einem Scheinmedikament allerdings nicht sehr groß. Ob die Wirksamkeit einer rigorosen Studie mit Placebo-Kontrolle standhält, untersuchten nun Dr. Dogan und Kollegen vom Department für Notfallmedizin der Kocaeli University in der Türkei.
Bisher widersprüchliche Ergebnisse zur Wirksamkeit von Lidocain gegen Migräne
An dieser Studie nahmen Patienten teil, die wegen einer schweren akuten Migräne in die Notaufnahme kamen bzw. mit entsprechenden Symptomen und dort mit einer Migräne diagnostiziert wurden. Um sicher zu gehen, dass tatsächlich nur Migränepatienten in der Studie betrachtet wurden, folgte die Migränediagnose den Kriterien der internationalen Kopfschmerzgesellschaft. Den Patienten wurde zufällig entweder Lidocain oder ein Placebo (0,9%iges Salzwasser, Saline genannt) in die Nase gegeben. Dabei war in dem sogenannten randomisierten Doppelblindverfahren der Studie weder den Patienten noch den behandelnden Ärzten bekannt, welche Substanz gerade gegeben wurde. Alle betroffenen Teilnehmer erhielten aber auch intravenös Metoclopramid (10 mg), um die klassischen Migränesymptome Übelkeit und Erbrechen zu lindern.
Um zu ermitteln, wie wirksam die Behandlung mit Lidocain im Vergleich zu einer Scheinbehandlung war, wurde die Schmerzstärke durch die Patienten auf einer 11-Punkteskala angegeben, von 0 für ‚keine Schmerzen‘ bis 10 für ‚schwerste vorstellbare Schmerzen‘. Ziel der Behandlung war natürlich, dass die Schmerzen rasch gelindert wurden. Daher war das vorrangige Maß für die Wirksamkeit der Behandlung die Veränderung der Schmerzstärke 15 Minuten nach der Medikamentengabe. Als weitere Information über die Wirksamkeit wurde die Veränderung der Schmerzstärke im Vergleich zum Beginn der Schmerzen bestimmt sowie der Bedarf an weiterer Medikation.
Notaufnahme: reicht Lidocain-Nasenspray, oder brauchen die Patienten mehr Behandlung?
162 Patienten wurden zufällig in die zwei Gruppen (Behandlung und Scheinbehandlung) eingeteilt. Dabei waren die Migränearten und durchschnittliche Schmerzintensität beider Gruppen vergleichbar. Half die Medikation, den Schmerz der Patienten zu lindern? Nach 15 Minuten war tatsächlich die Schmerzintensität der mit Lidocain behandelten Patienten im Mittel um 3 Punkte gesunken – die Schmerzstärke der mit Placebo behandelten Patienten allerdings ebenfalls um immerhin 2 Punkte. Der Unterschied zwischen diesen beiden Effekten war also nicht riesig, aber messbar (für statistisch Interessierte: das 95% Konfidenzintervall betrug 0,1 bis 2,1 für die mittlere Differenz zwischen den Behandlungseffekten). Nach 30 Minuten war der Lidocain-Vorteil allerdings verschwunden: die mit Medikament behandelten Menschen gaben durchschnittlich eine um 4 Punkte geringere Schmerzstärke an als direkt vor der Behandlung, die scheinbehandelten Menschen empfanden dagegen ihre Schmerzen im Mittel um 5 Punkte geringer. Der weitere Behandlungsbedarf war in beiden Gruppen gleich – ob Lidocain oder Placebo vorher verabreicht worden war, hatte also keinen Einfluss darauf, ob weitere Schmerzmittel nach dieser ersten Behandlung nötig waren. Lidocain führte lediglich häufiger zu lokalen Reizungen in der Nase.
Wirksamkeit nicht überzeugend und nach einer halben Stunde verschwunden
In dieser Studie zeigte sich demnach kein Vorteil einer Behandlung mit dem betäubenden Schmerzmittel Lidocain – das Scheinmedikament wirkte vergleichbar. Die Studienautoren zeigen damit, dass der Einsatz des Mittels vermutlich nicht die Antwort auf alle Fragen in der akuten Migränebehandlung ist. Sie spekulieren weiter, dass der Zeitpunkt der Behandlung kritisch sein könnte. Daher schlagen sie vor, in weiteren Studien besonders früh nach Beginn der Kopfschmerzphase eines akuten Migräneanfalls mit Lidocain zu behandeln.
Was bedeutet dies für Patienten? Frühere Studien konnten gute Wirksamkeit von Lidocain bei akuter Migräne demonstrieren – jedoch scheint dieser Behandlungserfolg, wie diese aktuelle Studie zeigte, nicht allgemeingültig zu sein. Zwar scheint das Mittel Potential zu haben. Möglicherweise ist sein Nutzen aber nicht auf die Notaufnahme beschränkt, sondern eventuell eher für akute Abhilfe für Betroffene zuhause, wie auch schon bei Clusterkopfschmerzen, geeignet. Beispielsweise könnte Lidocain als Akutmedikament auch in der Schwangerschaft nützlich sein, wie eine neuere Übersichtsstudie beschrieb. Allerdings scheint es vor allem bei Anwendung in der Nase noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf zu geben.
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