Nicht für Immer und Ewig: Antidepressiva können zunehmend mit jeder Behandlung ihre Wirksamkeit verlieren
Original Titel:
Step-wise loss of antidepressant effectiveness with repeated antidepressant trials in bipolar II depression
MedWiss – Fazit: Der Erfolg der antidepressiven Behandlung mit Venlafaxin oder Lithium in Monotherapie war umso niedriger, je häufiger Patienten vorher bereits antidepressiv behandelt worden waren. Es ist unklar, ob dieser Zusammenhang eher auf eine Erkrankung deutet, die stärker behandlungsresistent ist bzw. mit häufigeren depressiven Episoden einhergeht, oder ob eventuell antidepressive Therapien generell allmählich ihre Wirksamkeit verlieren. Auch ist nicht klar, ob für diesen Zusammenhang die Wirksamkeit vorheriger Behandlungen von Bedeutung ist: spielt es also eine Rolle, ob eine depressive Phase mit Symptomfreiheit beendet werden konnte, oder schwächt sich die Behandlungschance zunehmend mit jeder antidepressiven Therapie, ob erfolgreich oder nicht? Weitere Studien müssen diese und weitere Fragen nun dringend klären. Grundlegend könnte diese Studie auch einen Hinweis darauf geben, was besonders wichtig ist bei einer Bipolaren Störung: depressive (oder manische) Episoden zu verhindern. Es könnte also sehr viel wichtiger sein, eine für den jeweiligen Patienten gut wirksame Phasenprophylaxe zu finden – eine antidepressive Behandlung scheint dagegen nicht für die Ewigkeit gemacht zu sein.
Wird es im Verlauf einer Bipolaren Störung mit ausgeprägten depressiven Episoden (Bipolar 2) zunehmend schwieriger, die Depressionen zu behandeln? Dieser kritischen Frage ging nun eine Studie auf den Grund. Dazu ermittelten die Forscher den Zusammenhang zwischen der Zahl vorheriger antidepressiver Behandlungen und einer schrittweisen Steigerung der sogenannten pharmakodynamischen Toleranz, also einer allmählich geringer werdenden Wirksamkeit der antidepressiven Medikamente.
Pharmakodynamische Toleranz: verlieren Antidepressiva zunehmend ihre Wirksamkeit?
Teilnehmer der Studie waren 129 erwachsene (über 18 Jahre alt) Patienten mit der Bipolaren Störung Typ 2 und akuten Depressionen. Diesen Patienten wurde zufällig entweder eine Behandlung mit Venlafaxin oder Lithium jeweils als Monotherapie für 12 Wochen zugeordnet. Weder die Patienten noch die behandelnden Ärzte waren informiert, welches Medikament gegeben wurde (Doppelblindverfahren). Die Patienten, die auf die Behandlung ansprachen (59 Patienten) erhielten anschließend eine weiterführende Monotherapie für 6 zusätzliche Monate.
Monotherapie Venlafaxin oder Lithium gegen akute Depression
Nachdem die Wissenschaftler weitere Faktoren wie vorherige Medikamente mit berücksichtigt hatten, zeigte sich in der Analyse, dass mit jeder weiteren antidepressiven Behandlung die Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit der Antidepressiva sank. Die berechnete Rate hierfür betrug dabei 0,75 (odds ratio), umgerechnet entsprach dies einer um 25 % gesenkten Wahrscheinlichkeit, dass weitere Antidepressiva wirken würden. Statistisch betrachtet war dieses Ergebnis deutlich signifikant, also nicht auf Zufälle zurückzuführen. Zusätzlich sank die Wahrscheinlichkeit, in Remission zu gehen (also symptomfrei zu werden) mit jeder antidepressiven Behandlung um 32 % (odds ratio 0,68). Diese allmähliche Steigerung der Wirkungslosigkeit von antidepressiver Behandlung zeigte sich sowohl mit Lithium als auch mit Venlafaxin, hing aber von der Art der früher genommenen Medikamente ab. Besonders nachteilig wirkten sich selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) aus. Interessanterweise stand allerdings die Zahl der Behandlungen (oder welche Stimmungsstabilisatoren eingesetzt wurden) nicht im Zusammenhang mit der Zahl der Rückfälle während der weiterführenden Behandlung (6 Monate im Anschluss an die erste Behandlungsphase).
Remission umso seltener, je mehr antidepressive Behandlungen vorher stattfanden
Der Erfolg der antidepressiven Behandlung mit Venlafaxin oder Lithium in Monotherapie war also umso niedriger, je häufiger Patienten vorher bereits antidepressiv behandelt worden waren. Es ist unklar, ob dieser Zusammenhang eher auf eine Erkrankung deutet, die stärker behandlungsresistent ist bzw. mit häufigeren depressiven Episoden einhergeht, oder ob eventuell antidepressive Therapien generell allmählich ihre Wirksamkeit verlieren. Auch ist nicht klar, ob für diesen Zusammenhang die Wirksamkeit vorheriger Behandlungen von Bedeutung ist: spielt es also eine Rolle, ob eine depressive Phase mit Symptomfreiheit beendet werden konnte, oder schwächt sich die Behandlungschance zunehmend mit jeder antidepressiven Therapie, ob erfolgreich oder nicht? Weitere Studien müssen diese und weitere Fragen nun dringend klären. Grundlegend könnte diese Studie auch einen Hinweis darauf geben, was besonders wichtig ist bei einer Bipolaren Störung: depressive (oder manische) Episoden zu verhindern. Es könnte also sehr viel wichtiger sein, eine für den jeweiligen Patienten gut wirksame Phasenprophylaxe zu finden – eine antidepressive Behandlung scheint dagegen nicht für die Ewigkeit gemacht zu sein.
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