Proteine als „Shuttle Service“ für eine zielgenaue Medikamentenvergabe

Medikamente, die da ankommen, wo sie wirken sollen, ohne den restlichen Körper zu belasten, das ist keine Zukunftsvision mehr. Biotechnikern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ist es gelungen, Proteine zu entwickeln, die einem Shuttle ähnlich Medikamente direkt an der Stelle im Körper freisetzen, an der sie auch wirklich gebraucht werden. Ihre Studie kann Modellcharakter haben und könnte die zukünftige ziel- und gewebespezifische Vergabe von Medikamenten ermöglichen. Die Ergebnisse wurden in der angesehenen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS)* veröffentlicht.

Medikamente gezielt einzusetzen und sie an ihren Wirkungsort zu bringen, ohne dass diese unterwegs in gesundem Gewebe Schaden anrichten können, ist eine sehr aktuelle Fragestellung der pharmazeutischen Forschung. Mitarbeitende des Lehrstuhls Biotechnik der FAU mit ihrem Leiter Prof. Dr. Yves Muller und der Erstautorin der Studie, Karin Schmidt, haben für diesen Prozess einen neuen Lösungsweg entwickelt. Sie konnten in Zusammenarbeit mit Kollegen der Friedrich-Schiller-Universität Jena aufzeigen, dass eine bestimmte Gruppe von Proteinen zu gewebespezifischen Medikamentenshuttles umgebaut werden kann.

Methodische Grundlagen

Um das schwierige Unterfangen, Proteine gezielt so zu designen, dass Wirkstoffe – sogenannte Legate – an sie gebunden werden können, bedarf es neben eines am Lehrstuhl Biotechnik selbst entwickelten computergestützten Verfahrens auch einer experimentellen Überprüfung im Labor. Dieses wurde besonders mit Hilfe der Kristallographie vorgenommen.

In einem „Ping-Pong-Spiel“ zwischen Computeranwendung und Labor gelang es der Arbeitsgruppe, das humane Ursprungsprotein Antichymotrypsin in Proteine umzuwandeln, die zum einen ein bekanntes Antibiotikum (Doxycyclin) und zum anderen ein weitverbreitetes Zytostatikum (Doxorubicin), das zur Behandlung von Krebs und Autoimmunerkrankungen verwendet wird, an sich zu binden. Im Zielgewebe wird das gebundene Medikament wieder frei gesetzt, indem das Shuttleprotein durch ein Enzym, eine sogenannte Proteinase, gespalten wird. Die nun veröffentlichte Studie erbrachte den experimentellen Nachweis, dass und auf welche Weise die Medikamente an die Proteine angebunden wurden und legen damit die Grundlage für eingehendere Untersuchungen.

Zukunftsweisende Anwendungspotentiale

Durch den Einsatz der Proteinshuttles könnten Medikamente gezielt, ohne große Eingriffe und mit wenigen Nebenwirkungen in geringeren Dosen eingesetzt werden. So können Körper und Organe geschont und ein effizienterer Einsatz der Wirkstoffe ermöglicht werden. „Bis bestimmte Proteine aber als Shuttle Service medizinisch eingesetzt werden können, ist es noch ein langer und steiniger Weg“, ist sich der Studienleiter Prof. Dr. Yves Muller gewiss. Zunächst muss die Bindeaffinität der Wirkstoffe an die Shuttleproteine weiter erhöht werden. „Der Schlüssel muss noch genauer in das Schlüsselloch passen“, so der Untersuchungsleiter. Ein Projekt, dass den Lehrstuhl Biotechnik an der FAU in der kommenden Zeit intensiv beschäftigen wird.

In einem nächsten Schritt muss das Projekt auf die klinisch angewandte Forschung ausgeweitet werden. Experimentelle Nachweise müssen dann zeigen, dass die Mechanismen auch im Gewebe funktionieren. Die Wissenschaftler sind dennoch zuversichtlich, dass die von Ihnen vorgestellte Modellstudie das Potential für die Entwicklung von gerichteten Medikamentenshuttles besitzt und wegweisend für eine gezielte und effiziente Medikamentenvergabe sein kann.

*Die Forschungsergebnisse wurden unter dem Titel „Design of an allosterically modulated doxycycline and doxorubicin drug-binding protein“ in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings oft he National Academy of Sciences“ (PNAS) https://doi.org/10.1073/pnas.1716666115 veröffentlicht.