Brustkrebs – neue Therapieoption bei HER2-low
Medienbriefing der Expertin Prof. Dr. Annette Lebeau von der Deutschen Gesellschaft für Pathologie anlässlich des internationalen Brustkrebsmonats Oktober zu den neuen Therapieoptionen für Krebspatientinnen mit dem Status HER2-low.
Für metastasierten Brustkrebs mit einem HER2-low-Status ist seit 2023 das Medikament Trastuzumab deruxtecan zugelassen. Für eine große Gruppe Frauen, deren Brustkrebs diese Eigenschaft zeigt, eröffnet sich damit eine Therapieoption, die es bislang nicht gab – ein Durchbruch. Neu ist in diesem Zusammenhang die Gruppe der HER2-low-Tumoren – bislang beschränkte sich die diagnostische Einteilung auf HER2-positiv oder HER2-negativ, wenn es um das Wachstumsprotein HER2 ging. Der neue Status HER2-low ist eine Untergruppe des bisher als HER2-negativ klassifizierten Brustkrebses. Für Pathologinnen und Pathologen bedeutet das: die neue Untergruppe unterm Mikroskop zu identifizieren und zu beurteilen. Wie das gemacht wird, erläutert im Kurzinterview Prof. Dr. Annette Lebeau, Mammapathologin am Institut für Pathologie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und zugleich in der Gemeinschaftspraxis für Pathologie in Lübeck tätig.
Zahlen – Daten – Fakten
– 70.550 Frauen erkrankten 2020 in Deutschland neu an Brustkrebs. [1]
Brustkrebs ist mit Abstand die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland.
– 18.425 Frauen sind 2020 in Deutschland an Brustkrebs gestorben. [1]
– 740 Männer erkrankten 2020 in Deutschland neu an Brustkrebs. [1]
– 166 Männer sind 2020 in Deutschland an Brustkrebs gestorben. [1]
– 70 bis 80 Prozent der Brustkrebsfälle in Deutschland sind invasiv duktale Karzinome. Sie gehen von den Milchgängen der Brust aus und breitet sich in umliegendes Gewebe aus. [2]
– HER2 ist ein Protein auf der Zelloberfläche, das Wachstumssignale in die Zelle übermittelt. 15 bis 20 Prozent aller Brustkrebsfälle sind HER2-positiv. Das heißt, es gibt eine stark erhöhte Zahl an HER2-Rezeptoren auf der Oberfläche der Tumorzellen. Diese Tumoren sind aggressiv. [3]
– 45 bis 55 Prozent aller Brustkrebsfälle haben einen HER2-low-Status [4] und können nun in fortgeschrittenen Stadien zusätzlich mit einem Medikament behandelt werden, das bislang lediglich zur Behandlung von HER2-positivem Brustkrebs zugelassen war.
[1] Robert Koch-Institut
[2] Krebsinformationsdienst
[3] Deutsche Krebsgesellschaft
[4] Tarantino P, Hamilton E, Tolaney SM, Cortes J, Morganti S, Ferraro E, Marra A, Viale G, Trapani D, Cardoso F, Penault-Llorca F, Viale G, Andrè F, Curigliano G. HER2-Low Breast Cancer: Pathological and Clinical Landscape. J Clin Oncol. 2020 Jun 10;38(17):1951-1962. doi: 10.1200/JCO.19.02488. Epub 2020 Apr 24. PMID: 32330069.
Nachgefragt bei …
… bei der Mammapathologin Prof. Dr. Annette Lebeau, Oberärztin am Institut für Pathologie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und zugleich in der Gemeinschaftspraxis für Pathologie in Lübeck tätig:
Was bedeutet HER2-low?
HER2 ist ein Protein auf der Zelloberfläche, das Wachstumssignale in die Zelle übermittelt. Das ist grundsätzlich ein wichtiger Prozess im Körper. Bei Tumorzellen kann eine starke Vermehrung von HER2 auf der Oberfläche auftreten, die zum beschleunigten Wachstum des Tumors und zu einem aggressiven Verhalten führt. Wir sprechen dann von einem HER2-positiven Brustkrebs. Etwa 15% aller Brustkrebstumoren sind HER2-positiv. Seit gut 20 Jahren können wir bereits Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs effektiv mit Antikörpern behandeln, die gegen HER2 gerichtet sind. Eine solche zielgerichtete Therapie bei HER2-negativen Tumoren fehlte lange. Klinische Studien haben nun gezeigt, dass ein hochwirksames Antikörper-Wirkstoff-Konjugat mit dem Namen Trastuzumab deruxtecan auch bei den Tumoren wirksam ist, die mit weniger Rezeptoren ausgestattet sind. Diese Untergruppe bezeichnen wir nun als HER2-low. Die Tumorzellen haben zwar deutlich weniger HER2-Proteine – also Rezeptoren – auf der Tumoroberfläche als die HER2-positiven, aber offenbar genug, damit das Medikament andockt und der eigentliche Wirkstoff in den Tumorzellen freigesetzt werden kann.
Für wie viele Brustkrebsbetroffene ist das eine sehr gute Nachricht?
Für sehr viele. Die Gruppe der Patientinnen, deren Tumoren als HER2 low einzuordnen ist, ist deutlich größer als jene mit HER2-positiven Tumoren. Etwa die Hälfte aller Brustkrebsfälle ist HER2 low, wobei der Anteil unter den Hormonrezeptor-positiven Tumoren noch höher ist. Das Medikament ist bislang nur bei fortgeschrittenem bzw. metastasiertem Mammakarzinom zugelassen. Aber für etwa 50% der Frauen in diesem Stadium gibt es nun diese neue Therapieoption. Das war bislang nicht der Fall. Das ist eine tolle und wichtige Nachricht für sehr viele Betroffene mit fortgeschrittenem Brustkrebs. Die aktuelle Frage, die derzeit in klinischen Studien untersucht wird, lautet: Wie niedrig darf der HER2-Status sein, damit Trastuzumab deruxtecan noch wirksam ist? Die bisherigen Erkenntnisse werden zu einer noch feineren Differenzierung der HER2-Beurteilung führen. Wir Pathologinnen und Pathologen reagieren in der täglichen Diagnostik umgehend auf solche Entwicklungen, um zu gewährleisten, dass neue, behandlungsrelevante Untergruppen korrekt erkannt und eingeordnet werden.
Worauf kommt es bei diesem konkreten Fall der HER2-low-Gruppe an?
Bei der Bewertung der immunhistochemischen HER2-Bestimmung, die am Mikroskop erfolgt, müssen wir drei Kriterien beurteilen: wie hoch ist der Anteil der angefärbten Tumorzellen, sind die einzelnen Tumorzellen nur zum Teil oder vollständig angefärbt und wie kräftig ist die Anfärbung? Um eine möglichst hohe Qualität der Testung zu gewährleisten, müssen wir die verschiedenen Einflussfaktoren bedenken und optimieren. Wir haben gelernt, dass die Auswahl des verwendeten Tests und die Interpretation der Färbeergebnisse durch den Pathologen/die Pathologin einen besonderen Einfluss auf die Ergebnisqualität hat. Die Qualitätssicherungs-Initiative Pathologie QuIP bietet Ringversuche an, damit die Pathologien ihre Biomarker-Testungen im Vergleich mit anderen prüfen können. Ende letzten Jahres haben wir einen solchen Ringversuch für HER2 low angeboten. 66 Pathologien in Deutschland, die unterschiedliche Tests und Färbeautomaten verwenden, haben teilgenommen, 71 % waren erfolgreich, während bei den übrigen entweder die Testmethode oder die Interpretation noch nicht optimal war.
Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?
Wir haben aus dem Ringversuch sehr wichtige Erkenntnisse gezogen. Wir konnten nämlich feststellen, dass etwa 90% der Teilnehmer, die ein bestimmtes Testassay verwendet haben, erfolgreich abgeschnitten haben, während das Risiko einer Fehlinterpretation bei anderen Tests höher war. Das ist ein sehr hilfreiches und gutes Ergebnis. In dem anschließend angebotenen Seminar, konnten wir dann diese Erkenntnisse weitergeben und für das Training nutzen. Wir haben jetzt ein besseres Gefühl, was die Zuverlässigkeit der Tests angeht. Ringversuche sind entscheidend, um Fehlerquellen zu identifizieren und sich dann zu verbessern. Jede Teilnahme an den freiwilligen Ringversuchen zeigt, dass die Pathologinnen und Pathologen sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Biomarkertestung ist letztlich entscheidend für die Auswahl der geeigneten Behandlung und den Therapieerfolg. Übrigens nimmt Deutschland im europäischen Vergleich eine Spitzenposition bei der Biomarkerdiagnostik ein. Das betrifft das Tempo, in dem neue Biomarker etabliert werden, und die Qualität der Testung. Das finde ich beeindruckend und spricht für das große Engagement in unserem Fach für die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten.
Zitat
Prof. Dr. Annette Lebeau, Oberärztin am Institut für Pathologie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und zugleich in der Gemeinschaftspraxis für Pathologie, Lübeck, tätig:
„Ohne Gewebeuntersuchung gibt es keine Tumordiagnostik, keine zielgerichtete Therapie und keine personalisierte Medizin. Der Zusammenhang leuchtet grundsätzlich jedem ein, denke ich. Doch im Gegensatz dazu ist das Budget der Pathologie im Gesundheitswesen vergleichsweise gering. Und es werden weiter Leistungen gekürzt, gerade wieder bei einem wichtigen Verfahren für die Tumordiagnostik, der Immunhistochemie. Besonders trifft dies die standardmäßige Bestimmung von Hormonrezeptoren und HER2 beim Brustkrebs, also Untersuchungen die personalisierte Medizin überhaupt erst möglich machen. Wer personalisierte Medizin will, muss die Pathologie stärken und nicht schwächen.“
Originalpublikation:
https://www.pathologie-dgp.de/die-dgp/aktuelles/meldung/monatsthema-07-brustkrebs/