Multimodale Aktivierung: Anregung für Sinne, Geist und Körper auch für die Demenzpflege zuhause?

Original Titel:
Einzelaktivierung von Menschen mit Demenz im häuslichen Setting

Die Studie fand keine eindeutigen, positiven Effekte der gezielten geistigen Anregung Demenzkranker zu Hause. Dafür war, nach Angabe der Autoren, vor allem die geringe Teilnehmerzahl verantwortlich. Allerdings deuteten die Ergebnisse auf vielversprechende Tendenzen. Weitere Studien mit größeren Teilnehmergruppen wären also sinnvoll.


Eine „multimodale Einzelaktivierung“ ist vereinfacht gesagt eine Anregung für Sinne, Geist und Körper. Eine solche Aktivierung ist eine in Pflegeheimen verwendete Methode, um Patienten mit Demenz Anregungen und Anreize zu verschaffen. Dazu können beispielsweise einfache Aufgaben gestellt werden: etwa bunte Papprollen, die die Patienten greifen, aufstellen und nach Farben sortieren sollen. Auch das gemeinsame Betrachten alter Fotos, Singen von Liedern oder kompliziertere Aufgaben wie gemeinsames Kuchenbacken können eingesetzt werden. Es zählt vor allem, dass ein Patient möglichst durch die Aufgabe persönlich und positiv angesprochen ist und so auch sinnvoll und vielseitig zur Mitarbeit motiviert werden kann. Aktivierungen sollen verschiedene Bereiche beeinflussen: Muskeln werden gekräftigt oder die Beweglichkeit verbessert, geistig können Sinneswahrnehmung, Kreativität, Konzentration oder das Kombinationsvermögen angeregt werden. Anregungen dienen auch der Kommunikation und fördern die Menschen mit Demenz damit auch sozial und emotional. Sie erleben Freude, Spaß und werden auch gelobt.

Können solche Aktivierungen aber auch sinnvoll zu Hause eingesetzt werden? Immerhin leben viele Patienten mit Demenz nicht in spezialisierten Heimen, sondern werden von ihrer Familie gepflegt. Dies untersuchten deutsche Forscher rund um Prof. Stemmer vom Fachbereich Gesundheit und Pflege der katholischen Hochschule Mainz nun in einer kontrollierten und randomisierten Studie.

Hilft Anregung für Sinne, Geist und Körper auch zu Hause gepflegten Patienten mit Demenz?

Die Forscher testeten, ob Menschen mit leichter bis moderater Demenz durch zu Hause durchgeführte Anregungen über einen Zeitraum von einem halben Jahr bessere Alltagsfähigkeiten und Denkleistungen hatten als eine Kontrollgruppe ohne solche gezielten Anregungen. 72 Patienten mit einer Demenzerkrankung nahmen an der Studie teil. Ihr Demenzgrad lag dabei zwischen leicht und moderat, wie mit dem Denkleistungstest MMST (Werte zwischen 12 und 24) ermittelt wurde. 36 der Patienten wurden der Behandlungsgruppe zugeordnet, 36 gehörten zur Kontrollgruppe, die keine besondere Förderung erhielt. Eine ‚praktische‘ Aktivierung wurde an 6 Tagen pro Woche über ein halbes Jahr durch die pflegenden Angehörigen durchgeführt. Praktisch bedeutet dabei, dass beispielsweise Spiele, Spaziergänge oder gemeinsame Zubereitung von Essen stattfanden. Zusätzlich fand einmal wöchentlich eine sogenannte kognitive Stimulation statt, also eine Anregung des Denkens. Diese wurde durch externe Personen durchgeführt. Die Angehörigen wurden außerdem geschult und beraten, um die Förderung bestmöglich gestalten zu können.

Wer profitiert mehr: demenzkranke Menschen mit regelmäßiger Aktivierung oder ohne?

Die Studie fand tatsächlich, dass sich die gezielte Anregung zu Hause zum Teil positiv auswirkte. Menschen mit leichter Demenz, die gefördert wurden, hatten bessere Alltagsfähigkeiten als nicht speziell geförderte Patienten. Bei moderater Demenz wirkte sich diese unterschiedliche Behandlung aber nicht messbar auf die Alltagsfunktionen aus. Bei der Denkleistung zeigte sich dagegen eine tendenzielle Besserung bei Patienten mit moderater Demenz, nicht aber bei den Patienten mit Demenz leichten Grades.

Auch der Pflegebedarf, also wie abhängig die Patienten von der Pflege waren, wurde nur tendenziell (mathematisch also ein mögliches Zufallsergebnis) bei leichter Demenz verbessert, wenn die Patienten durch Aktivierungen angeregt wurden. Bei moderaten Demenzgraden half das anregende Programm allerdings messbar: die Patienten benötigten anschließend weniger Unterstützung als die nicht speziell geförderten Patienten. Besonders deutlich wirkte sich die unterschiedliche Behandlung auf das soziale Verhalten der Patienten aus. Dieser Effekt war ein halbes Jahr nach der Aktivierungsphase nicht mehr nachweisbar. Bei den pflegenden Angehörigen konnten keine Effekte festgestellt werden.

Tendenziell vielversprechende Effekte auf Pflegebedarf, Alltagsfähigkeiten und soziales Verhalten

Die Studie fand demnach keine eindeutig positiven Effekte der Aktivierung Demenzkranker zu Hause. Dafür war, nach Angabe der Autoren, vor allem die zu geringe Teilnehmerzahl verantwortlich. Allerdings deuteten die Ergebnisse auf vielversprechende Tendenzen. Weitere Studien mit größeren Teilnehmergruppen wären also sinnvoll.

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