Strategie gegen erhöhten Propofol-Abfall im OP

Bonner Forschende zeigen, welches Verfahren den Verwurf des Narkosemittels verringert: Propofol wird im OP zur Narkoseeinleitung verwendet. Um die Narkose aufrechtzuerhalten, folgt bei einer total intravenösen Anästhesie standardmäßig eine Dauerinfusion des Mittels über eine separate Spritzenpumpe. Ganz nachhaltig ist das nicht: Propofol produziert etwa 45 Prozent des Medikamentenabfalls im OP und ein Viertel des Mittels bleibt ungenutzt übrig.

Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn haben nun gezeigt, dass eine alternative Methode das Abfallaufkommen reduziert. Statt einer separaten Spritze für die Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose konnten die Forschenden zeigen, dass der Einsatz einer einzigen Spritzenpumpe für die Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose sparsamer ist: Der Propofolverwurf konnte zwischen 30 und 50 Prozent reduziert werden. Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift British Journal of Anaesthesia veröffentlicht.

In Zeiten des Klimawandels müssen auch Kliniken nachhaltige Strategien zum Schutz von Ressourcen entwickeln. Insbesondere die Anästhesiologie und Intensivmedizin gehören zu den ressourcen- und energieintensivsten Bereichen: Sie erzeugen einen erheblichen Anteil an Krankenhaus- und Medikamentenabfällen, die fachgerecht entsorgt werden müssen. „Ein Spitzenreiter in Sachen Medikamentenverwurf ist Propofol“, erläutert Prof. Dr. Mark Coburn, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin (KAI) am UKB, der auch an der Universität Bonn forscht. Das Anästhetikum dient zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose. Es wird im OP-Saal standardmäßig zunächst mit einer Spritze injiziert, um die Narkose einzuleiten und nach dem Einschlafen der Patient*innen folgt häufig eine Dauerinfusion über eine separate automatische Spritzenpumpe. Das Problem: „In einigen Einrichtungen entfallen bis zu 45 Prozent aller Medikamentenabfälle im Operationssaal auf Propofol“, betont Dr. Florian Windler, Assistenzarzt der KAI am UKB. Zusätzlich bleibe ein Viertel des vorbereiteten Anästhetikums am Ende der Operation ungenutzt für den Müll übrig.

Ist eine einzige Spritzenpumpe sparsamer?

Ein Bonner Forschungsteam hat nun untersucht, ob der Propofolverwurf reduziert wird, wenn statt einer separaten Spritze für die Einleitung, eine einzige Spritzenpumpe sowohl für Einleitung als auch Aufrechterhaltung der Narkose benutzt wird. Diese Methode nutzen Anästhesist*innen bereits. Nachteile für die Sicherheit der Patient*innen sind durch dieses Verfahren nicht bekannt. Ob es aber wirklich umweltschonender ist, analysierten die Forschenden indem sie den Propofolverbrauch und Verwurf in den Anästhesieprotokollen von über 300 Operationen im Zeitraum von Juni 2021 bis Juni 2023 untersuchten. Dabei verglichen sie die Eingriffe der herkömmlichen Methode mit denen der Alternative mit nur einer Spritzenpumpe. Zudem prüften sie, ob sich der Propofol-Verwurf zwischen den beiden Methoden in Bezug auf klinische Daten wie Alter, Gewicht und Geschlecht der Patient*innen sowie deren Alkohol- und Drogenkonsum unterscheidet.

Es zeigte sich: „Durchschnittlich wurden pro Operation rund 30 Prozent weniger Propofol verworfen, wenn die Narkose mit einer einzigen Spritzenpumpe durchgeführt wurde“, sagt Erst- und Korrespondenzautor Dr. Windler. Bei 20- bis 100-minütigen Eingriffen sorgte dieses Verfahren ohne separate Spritze bei der Narkoseeileitung sogar für bis zu fast 50 Prozent weniger Popofolverwurf. Alter, Geschlecht, Gewicht oder Vorerkrankungen der Patient*innen hatten keinen Einfluss auf den Verwurf in der OP. Anders verhielt es sich bei Patient*innen, die regelmäßig Alkohol oder andere Substanzen konsumierten. Diese benötigen in der Regel mehr Narkosemittel während Operationen. Der Verwurf bei diesen Patient*innen war erhöht. „Interessanterweise nur, wenn wir mit einer zusätzlichen Spritze einleiten. Der Effekt ist hingegen bei Nutzung der Spritzenpumpe nicht sichtbar, sondern reduziert den Verwurf um 49 Prozent“, ergänzt Co-Autor Prof. Coburn.

Anästhesie in Zukunft grüner denken

„Unsere Analyse deutet darauf hin, dass die Verwendung einer einzigen Spritzenpumpe für die Einleitung sowie die Aufrechterhaltung der Anästhesie insgesamt die beste Option ist“, schließt Dr. Windler aus den Ergebnissen. Die Methode könnte demnach tatsächlich eine nachhaltigere Variante darstellen. Zudem hat dies auch einen ökonomischen Effekt: Bei einer zehn- bis 15-maligen Anwendung des Verfahrens pro Tag können umgerechnet rund 1.300 Fläschchen der häufig verwendeten 20-Milliliter-Fläschchen Propofol pro Jahr eingespart werden. „Die Narkoseeinleitung mit separater Spritze sollte sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht als Standardmethode überdacht werden“, appelliert Prof. Coburn. Er hat das Green Team der KAI am UKB initiiert: „Wir möchten Nachhaltigkeit stärker in den klinischen Fokus stellen“, erklärt er. „Die Studie zum Propofolverwurf zeigt, wie wir die Folgen unserer Arbeit auf die Umwelt verringern können – ohne dabei die Qualität der Patientenversorgung zu beeinträchtigen.“

Förderung:

Die Studie wurde durch die Nachhaltigkeitskommission der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn und durch die Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Bonn gefördert.

Publikation:

Florian Windler, Mark Coburn, Birgit Bette, Dirk Fingerhut, Anke Jacobi, Philippe Kruse: Effects of manual and syringe pump induction of total intravenous anaesthesia on propofol waste: a single-centre retrospective analysis; British Journal of Anaesthesia; DOI: 10.1016/j.bja.2024.10.002