Neurofeedback bei ADHS möglicherweise nicht wirksam

Es gibt kaum Belege dafür, dass Neurofeedback-Behandlungen für die meisten Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als einzige Behandlung nützlich sind, obwohl eine kleine Wirkung von Standard-Neurofeedback nachweisbar ist. Das ist das zentrale Ergebnis einer Übersichtsarbeit, die das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit zusammen mit dem King’s College London, der Universität Southampton und der Universität Zürich durchgeführt hat. Dafür wurden 38 wissenschaftliche Studien ausgewertet.

Neurofeedback ist ein Training, bei dem Menschen lernen können, ihre Gehirnaktivität zu steuern. In der Regel wird die Elektroenzephalografie (EEG) eingesetzt, um die elektrische Aktivität des Gehirns zu messen und der Person ein Echtzeit-Feedback zu geben. Dieser Ansatz wird als Alternative zur Einnahme von Medikamenten vorgeschlagen, um Menschen zu helfen, die ADHS-bezogene Gehirnaktivität selbst zu regulieren und Verhaltenssymptome zu reduzieren.

Doch können durch Neurofeedback tatsächlich ADHS-Symptome signifikant reduziert werden? Dieser Frage geht die in der Fachzeitschrift JAMA Psychiatry veröffentlichte Übersichtsarbeit nach, die neben dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim vom King’s College London, der Universität Southampton sowie der Universität Zürich durchgeführt wurde. Die Übersichtsarbeit umfasste eine Metaanalyse von 38 randomisierten kontrollierten Studien, in denen die Ergebnisse der Neurofeedback-Behandlung bei Personen mit ADHS untersucht wurden. Ausgewählt wurden also nur Studien, in denen Personen nach dem Zufallsprinzip einer Neurofeedback- oder Kontroll-Gruppe zugewiesen wurden und bei denen die Berichte über die Symptome wahrscheinlich „verblindet“ waren, das heißt die Beurteilenden nicht wussten, wer Neurofeedback erhielt und wer nicht.

Keine signifikante Verringerung von ADHS-Kernsymptomen

Die Metaanalyse ergab, dass Neurofeedback insgesamt keine signifikante Verringerung der ADHS-Kernsymptome, wie Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität/Impulsivität, bewirkte, aber klassisches („Standard“)-Neurofeedback zu einer kleinen Verbesserung der Gesamtsymptomatik führte. Auch die kognitiven Leistungen hatten sich nicht verbessert, abgesehen von einem kleinen positiven Effekt auf die Geschwindigkeit, mit der die Teilnehmenden Informationen verarbeiteten.

„Neurofeedback nutzt Echtzeit-Feedback der Gehirnaktivität, um die Selbstregulierung dieser Aktivität zu trainieren. In den vergangenen Jahren hat diese Methode, die anstelle von Medikamenten oder begleitend zu diesen eingesetzt wird, zunehmend an Interesse gewonnen, doch war die Wirksamkeit dieser Intervention bei Menschen mit ADHS bisher unklar. Unsere Meta-Analyse von 38 randomisierten, kontrollierten Studien ergab, dass die Beweise nicht ausreichen, um Neurofeedback als Erstbehandlung für ADHS zu empfehlen“, sagt Dr. Sam Westwood, Dozent für Psychoedukation am King’s College London und Erstautor der Studie.

Keine Belege für den Nutzen neuerer Neurofeedback-Techniken

Die Forscherinnen und Forscher fanden auch keine Unterschiede zwischen Neurofeedback und anderen nicht-pharmakologischen Behandlungen, wie körperlicher Bewegung oder kognitivem Training, – obwohl es nur wenige Studien gab, die diese Interventionen untersuchten beziehungsweise miteinander verglichen. Es gab keine Belege für den Nutzen neuerer Neurofeedback-Techniken wie funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) und funktionelle Nahinfrarot-Spektroskopie (fNIRS).

„Sinnvoll wäre weitere Forschung, die sich damit beschäftigt, Patienten zu identifizieren, die eher auf Neurofeedback ansprechen und lernen“, sagt Prof. Dr. Daniel Brandeis, Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Neurophysiologie des Kindes- und Jugendalters am ZI und neben Prof. Edmund Sonuga-Barke (King’s College London) und Prof. Samuele Cortese (Universität Southampton) einer der Hauptautoren der Studie.

Neue Ansätze für die Behandlung entwickeln

„Trotz Fortschritte in unserem wissenschaftlichen Verständnis von ADHS hat sich in Bezug auf die Behandlung seit Jahrzehnten wenig geändert. Es fehlt nach wie vor an wirksamen Alternativen zur medikamentösen Behandlung der Kernsymptome. Die Entwicklung neuer, wissenschaftlich fundierter und wirksamerer nicht-pharmakologischer Ansätze für die Behandlung von ADHS bleibt daher eine Priorität für unser Fachgebiet“, sagt Professor Edmund Sonuga-Barke, Professor für Entwicklungspsychologie, Psychiatrie und Neurowissenschaften am King’s College London.

„Auch wenn Neurofeedback nicht zu einer klinisch bedeutsamen Verringerung der ADHS-Gesamtsymptome führte, machen die Präzisionsmedizin und die Techniken der Bildgebung rasche Fortschritte. Dies könnte uns helfen, Personen mit ADHS zu identifizieren, die in Zukunft eher von Neurofeedback profitieren könnten“, sagt Professor Samuele Cortese, NIHR-Forschungsprofessor an der Universität von Southampton.

Die Untersuchung wurde im Rahmen der Europäischen ADHS-Leitliniengruppe (EAGG) durchgeführt.

Originalpublikation:

Westwood SJ, Aggensteiner PM, Kaiser A, Nagy P, Donno F, Merkl D, Balia C, Goujon A, Bousquet E, Capodiferro AM, Derks L, Purper-Ouakil D, Carucci S, Holtmann M, Brandeis D, Cortese S, Sonuga-Barke EJS; European ADHD Guidelines Group (EAGG): Neurofeedback for Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: JAMA Psychiatry. 2024 Dec 11. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2024.3702. Online ahead of print. PMID: 39661381
Link: https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2827733