In der NeuroIntensivmedizin sind strukturelle Veränderungen dringend notwendig

Interview mit Prof. Dr. Matthias Klein

Berlin. (ka) In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen der Medizin so stark geändert wie nie zuvor. Das betrifft auch die NeuroIntensivmedizin, wie Prof. Dr. Matthias Klein, München, betont. Er ist Tagungspräsident des größten europäischen Kongresses in diesem Bereich, der ANIM 2025, die vom 30. Januar bis 1. Februar 2025 in Berlin stattfindet: neue Erkenntnisse zur Neurologischen und Neurochirurgischen Intensiv- und Notfallmedizin, ein interdisziplinäres Update und spannende Diskussionen struktureller Veränderungen angesichts explodierender Kosten mit Engpässen im pflegerischen und ärztlichen Bereich bei gleichzeitig gesteigerter Versorgungsqualität.

Die Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin – kurz: ANIM 2025 – bietet als gemeinsamer Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) drei Tage lang einen spannenden Austausch für Ärzte, Pflegefachkräfte und Therapeut:innen. Was sind die Themenschwerpunkte?

Prof. Klein: „Die ANIM ist immer eine sehr wichtige Plattform, um die aktuellen Entwicklungen in der neurologischen und neurochirurgischen Intensiv- und Notfallmedizin zu diskutieren. Die Schwerpunkte sind derzeit intrakranielle Blutungen, neuroinfektiologische und -immunologische Erkrankungen, die Neuro-Notfallmedizin, KI in der Neurointensiv- und Notfallmedizin und Neuromonitoring und Prognoseabschätzung. Damit ist die ANIM auch wieder breit aufgestellt, setzt aber Schwerpunkte in ganz brandaktuellen Themenbereichen. Es gibt viel Neues zu entdecken.“

Sie betonen, angesichts der aktuellen strukturellen Veränderungen sei es für die Neuro-Fachgesellschaften „dringend notwendig, politisch am Ball zu bleiben“. Inwieweit wird das beim Kongress eine Rolle spielen?

Prof. Klein: „Die politischen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren geändert, Reformvorschläge von Seiten der Regierung und Vorgaben des G-BA sind in den letzten zwei Jahren hochdynamisch gewesen und reichen über neue Entwicklungen in der Notfallmedizin über die Intensivmedizin bis hin zu erwartenden Veränderungen in der Landschaft der Rehabilitationseinrichtungen. Die DGNI war im letzten Jahr politisch sehr aktiv und hat mit Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen und G-BA Beschlüssen immer wieder auf kritische Punkte der Neuronotfall- und -intensivmedizin hingewiesen. Auf der ANIM werden diese Punkte eine Rolle spielen – der Kongress wird aber weiterhin vor allem von medizinischen Inhalten geprägt sein.“

Welche neuen Entwicklungen werden vorgestellt, auch mit Bezug auf die Versorgung der Patienten? Was sind aktuelle Brennpunkte in der Neurointensiv- und Notfallmedizin?

Prof. Klein: „Ganz wichtig erscheint mir unter diesem Gesichtspunkt die Frage, wie die KI unsere Arbeit in der Notfallmedizin und auf der Intensivstation verändern kann – bzw. besser gesagt verändern wird. Dazu haben wir tolle Symposien zusammengestellt. Dazu kommt, dass die wissenschaftliche Neuronotfall- und -intensivszene sehr aktiv ist, was man an der großen Menge von wissenschaftlichen Posterbeiträgen ablesen kann. In Bezug auf spezifische Krankheitsbilder kann man am Beispiel des Vorgehens bei intrazerebralen Blutungen ablesen, wie wichtig gute Forschung ist und wie diese das fächerübergreifende Vorgehen verändert hat.“

Ganz konkret – wie kann beispielsweise KI die Diagnose von neurologischen Erkrankungen beschleunigen und präzisieren?

Prof.: „Der Mensch ist immer darauf angewiesen, bestimmte Muster der klinischen Untersuchung sowie der Vital- und Laborwerte richtig zu interpretieren. Manchmal ist das in der Hektik des Alltags schwierig und dauert zu lange. Die KI wird unsere Arbeit wahrscheinlich nicht komplett ersetzen – sie wird uns im klinischen Alltag aber helfen, komplexe medizinische Konstellationen schneller zu erkennen und uns damit die Möglichkeit geben, schneller adäquat zu reagieren. Auch in der Wissenschaft wird uns die KI unterstützen, Fragestellungen deutlich schneller und vor allem unvoreingenommener als bisher zu beantworten.“

Die DGNI kooperiert eng mit anderen Fachgesellschaften, die ANIM wird für einen besonders intensiven Austausch und Networking geschätzt. Welche Themen liegen Ihnen dabei besonders am Herzen?

Prof. Dr. Matthias Klein: „Die ANIM ist ein gemeinsamer Kongress von DGNI und DSG. Aufgrund der Relevanz schwerer vaskulärer Erkrankungen mit intensivmedizinisch zu behandelnden Patienten ist diese Partnerschaft auf der ANIM wichtig, um eine optimale Patientenversorgung zu gewährleisten und die Weichen für eine noch weitere Verbesserung der Schlaganfalltherapie bei schweren ischämischen Schlaganfällen und Hirnblutungen zu stellen. Wir arbeiten seit vielen Jahren eng mit der Deutschen Gesellschaft für Liquordiagnostik und klinische Neurochemie (DGLN), der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Neuromedizin (ADNANI) und der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) zusammen, die alle ein Gesellschaftssymposium auf der ANIM vorbereitet haben. Es freut mich ganz besonders, dass erstmals auch die Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) auf der ANIM vertreten sein wird – die Zusammenarbeit mit den Rehakliniken ist für eine optimale Intensivtherapie von Patienten mit schweren neurologischen Erkrankungen von elementarer Bedeutung.

Das Interview wurde durchgeführt von Kerstin Aldenhoff.

Alle Informationen sowie das Tagungsprogramm unter: www.anim.de