Soziale Roboter in der Therapie können Demenzpatienten motivieren und aufheitern
Original Titel:
Affective and Engagement Issues in the Conception and Assessment of a Robot-Assisted Psychomotor Therapy for Persons with Dementia.
Psychologische und soziale Interaktionen, wie beispielsweise Denkanregungen, Bewegungsangebote und Kunsttherapien, spielen eine Schlüsselrolle in der Demenzpflege. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass solche Aktivitäten das Wohlbefinden, die Denkleistung, soziale Fähigkeiten und Alltagsfunktionen der dementen Patienten fördern. Soziale Roboter bieten die Chance, den Nutzer durch soziale Interaktion mittels Stimme, Gesten und Verhalten einzubinden und zu stimulieren. Dabei sind die meisten sozialen Roboter mit einer großen Flexibilität ausgestattet: sie können individuell auf verschiedene Verhaltensweisen programmiert werden. Aus diesem Grund bieten sich Roboter an, gerade in Bezug auf individuelle Unterschiede spezialisierte Therapieunterstützung zu leisten.
Zwar wächst das Interesse an Roboterunterstützung in Therapien in der Demenzpflege seit Jahren. Allerdings sind das beste Anwendungsgebiet und der genaue Vorteil eines Roboters bisher nicht geklärt. Ebenso wenig ist bekannt, wie sich der emotionale Stil und das genaue Verhalten eines Roboters auf die Patienten auswirken. Die Psychologin und Expertin in altersunterstützender Technologie Dr. Pino untersuchte dazu mit Kollegen an Pariser Universitäten und Kliniken den Einsatz humanoider Roboter bei einer psychologischen und bewegungsorientierten Therapie von dementen Patienten.
Die Forschergruppe untersuchte daher die Fähigkeiten der Roboter, mit den Patienten in Kontakt zu treten und welche Effekte dies auf den Gefühlszustand der Patienten hatte. Dazu wurde ein kurzes psychologisches und Bewegungstherapieprogramm entwickelt, bei dem der Roboter als Assistent des Therapeuten auftrat. Zusätzlich zu einem Gerüst an sozialen und Bewegungsverhaltensweisen für den Roboter wurde auch ein Kontrollprogramm geschaffen, das die individuelle Anpassung des Roboterverhaltens ermöglichen sollte. Besonders achteten die Forscher dabei darauf, was die Patienten dazu bewegen könnte, sich mit den Robotern aktiv zu beschäftigen. Dazu gehörte der Interaktionsstil des Roboters, aber auch dass der Roboter auf Themen einging, die für die Patienten jeweils interessant oder relevant waren und sich ihrem Kommunikationsstil anpasste.
An dieser Pilotstudie nahmen 9 Demenzpatienten (7 Frauen, 2 Männer, mittleres Alter 86 Jahre) einer Geriatrischen Abteilung im Krankenhaus teil. Die Studie umfasste 4 separate Therapiesitzungen: eine klassische Therapie (Patient und Therapeut) und drei roboterassistierte Therapiesitzungen (Patient, Therapeut, Roboter). Untersucht wurde dabei, wie stark sich die Teilnehmer in den jeweiligen Sitzungen engagierten und wie wohl sie sich fühlten. Gleichzeitig wurde abgefragt, wie zufrieden sie mit der Behandlung waren, ob sie den Roboter mochten, und ob ihnen das mitfühlende Wesen des Roboters zusprach.
Die Therapiesitzungen waren in 5 Segmente unterteilt. Zu Beginn fanden Begrüßung und eine Einführung des Roboters statt. In einer anschließenden Bewegungsübung sollten die Patienten für die Therapiesitzung körperlich und geistig ‚aufgewärmt‘ werden. Im dritten Segment stellten der Therapeut oder der Roboter personalisierte Fragen an den Patienten. Zu Beginn standen dabei Lebensgeschichte und Interessen im Vordergrund, anschließend zur Förderung des Selbstbewusstseins der eigene Körper. Im vierten Abschnitt animierten Therapeut oder Roboter die Patienten dazu, sich durch Bewegung, Sprache und Emotion auszudrücken – dies wurde in kleinen Bewegungsabfolgen, kombiniert mit Lautfolgen, geübt. Vor einem kurzen Abschlussgespräch leiteten Therapeut oder Roboter schließlich die Patienten bei Atemübungen an, um dadurch ihre Entspannung zu unterstützten.
Wie stark sich die Patienten in einer Sitzung einbrachten, wurde in nachträglichen Videoanalysen ausgewertet. Sowohl bei Sitzungen nur mit Therapeuten als auch mit Roboterassistenz waren die Patienten konstruktiv engagiert. Allerdings zeigten die Teilnehmer mehr positiv emotionale Reaktionen in den Robotersitzungen. Dies schlug sich auch in den Vorlieben der Patienten nieder, die die Robotersitzungen bevorzugten. Der Einsatz sozialer Roboter als vermittelndes Werkzeug in der Therapie schien das Engagement der dementen Patienten zu erhöhen und ihr Wohlbefinden und ihre Zufriedenheit zu fördern. Der Roboter war vor allem auch dann hilfreich, wenn es dem Therapeuten schwerfiel, einen Patienten zur Mitarbeit und Interaktion zu motivieren. Dies könnte auch an der Konzeption des Roboters gelegen haben: das Gerät war als freundliches, kindliches, nicht bewertendes Wesen mit einer positiven Grundstimmung ausgestattet. Der Roboter benutzte einfache, kurze Sätze, lachte bei Berührung durch den Patienten, gab regelmäßig motivierende, positive Rückmeldungen und erschien auch durch seine Größe von nur 1,50 m wenig dominant und eher wie ein Kind.
Nach Verbesserungen und Vereinfachung des Kontrollprogramms sollte nun eine größere Studie die klinischen Vorteile und emotionalen Effekte einer roboterassistierten Therapie untersuchen. Dabei sollte auch ein Einsatz von sozialen Robotern in spezialisierten Bereichen der Demenzpflege getestet werden, beispielsweise in Physiotherapie und Sprachtherapie. Bis eine klinische Anwendung üblicher wird, könnte auch bei der Demenzpflege zu Hause der Einsatz sozialer Roboter angedacht werden. Schon jetzt gibt es Robotertiere und -puppen, die eigentlich als Spielwaren gedacht sind. Eventuell könnten sie aber auch einem dementen Menschen etwas Lebensfreude schenken.
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