Studie mit Nährstoffgetränk zur Alzheimerprävention zeigt kaum Wirkung
Original Titel:
24-month intervention with a specific multinutrient in people with prodromal Alzheimer's disease (LipiDiDiet): a randomised, double-blind, controlled trial
Ernährung ist ein wichtiger Risikofaktor bei der Alzheimererkrankung, bei dem man leicht vieles verkehrt, aber auch vieles richtig machen kann. So kann eine ausgewogene, vielseitige Ernährung die gesunde Alterung unterstützen. Eine zusätzliche Zufuhr von Nährstoffen, die möglicherweise nicht ausreichend in der normalen Nahrung enthalten sind oder vom Körper zunehmend stärker verbraucht werden, kann möglicherweise auch einen positiven Beitrag zur geistigen Gesundheit leisten. In früheren Studien mit speziellen Nährstoffgetränken schienen Patienten mit einer leichten Alzheimerdemenz von der Ernährungsergänzung zu profitieren. Eine neuere in Lancet Neurology erschienene Studie von Neurologin und Alzheimerexpertin Dr. Soininen und Kollegen untersuchte nun die Auswirkungen eines solchen Getränks auf die Denkleistung bei einer Vorstufe der Alzheimererkrankung.
Bei einer täglichen Einnahme des Getränks sollten die enthaltenen Nährstoffe die weitere Entwicklung der Alzheimerdemenz bei Patienten mit ersten Anzeichen der Erkrankung verzögern oder gar aufhalten. Ob dies aber tatsächlich so ist, sollte die Studie ‚LipiDiDiet’ nun nach Anwendung über 24 Monate überprüfen. In der Multizentrenstudie in 11 Zentren in Finnland, Deutschland, den Niederlanden und Schweden wurde Patienten mit frühen Anzeichen einer Alzheimererkrankung zufällig (randomisiert) entweder 125 ml des Nährstoffgetränks oder ein Kontrollgetränk ohne die Nährstoffe zugeteilt. Weder die Patienten noch die behandelnden Ärzte waren über den Inhalt der jeweiligen Getränke informiert (Doppelblindverfahren). Die Patienten sollten die Getränke über 24 Monate hinweg täglich einmal zu sich nehmen.
Die Teilnehmer waren nach den Kriterien einer Internationalen Arbeitsgruppe mit einer Vorstufe der Alzheimererkrankung diagnostiziert worden. Wirkziel war eine Veränderung in den Testwerten einer neuropsychologischen Testreihe (neuropsychological test battery, NTB). Die Verträglichkeit des Getränks wurde bei allen Teilnehmern überprüft, die mindestens einmal ein Getränk zu sich genommen hatten.
Zwischen 20. April 2009 und 3. Juli 2013 wurden 382 Patienten rekrutiert, von denen schließlich 311 teilnahmen. Davon erhielten 153 das Nähstoffgetränk, 158 wurde das Kontrollgetränk zugewiesen. Im Mittel reduzierte sich der neuropsychologische Testwert um −0,028 Punkte in Nährstoffgruppe und um −0,108 in der Kontrollgruppe. Der Unterschied zwischen den Gruppen betrug 0,098. Statistisch betrachtet war dies jedoch ein Zufallsergebnis und nicht einer erfolgreichen Behandlung zuzuschreiben. Allerdings fiel der Abbau der Denkleistung in der Kontrollgruppe geringer aus, als aufgrund einer Vorstudie geschätzt worden war: erwartet hatten die Forscher eine Reduktion des Testwerts um -0,4 über den Zeitraum von 24 Monaten. 66 (21 %) der Teilnehmer führten die Studie nicht bis zum Ende durch. Im Studienzeitraum ereigneten sich mehrere schwere Zwischenfälle sowohl in der Nährstoffgruppe (34 Teilnehmer, 22 %) als auch in der Kontrollgruppe (30 Teilnehmer, 19 %). Rechnerisch unterschied sich die Häufigkeit dieser Zwischenfälle nicht zwischen den Gruppen. Auch konnte keines dieser Vorkommnisse mit der Behandlung in Verbindung gebracht werden.
In Vorstufen der Alzheimererkrankung hatte das Getränk also nach Anwendung von 2 Jahren keinen messbaren Effekt auf das eigentliche Wirkziel: der Abbau der Denkleistung war gleich in der Nährstoffgruppe und der Kontrollgruppe. Allerdings erschien der Abbau der Denkleistung insgesamt geringer als erwartet auszufallen. Es könnte sein, dass die Wirkung des Nährstoffgetränks so gering ist, dass man größere Zeiträume und Probandengruppen benötigt, um sie deutlich messen zu können. Die Nährstoff- und Kontrollgruppen unterschieden sich interessanterweise aber im nachrangigen Wirkziel: das Krankheitsfortschreiten schien bei der Nährstoffgruppe verlangsamt. Die Größe des Lernzentrums Hippocampus im Gehirn schien sich in der Nährstoffgruppe auch weniger zu verringern als in der Kontrollgruppe.
Das Getränk gibt es mit Erdbeer- oder Vanillearoma – ob das ohne einen klar messbaren Effekt auf das gesunde Altern ausreicht, um den stolzen Preis wettzumachen, ist allerdings nicht klar. Die Inhaltsstoffe könnten sich alternde Menschen auch größtenteils mit der Nahrung zuführen. Dazu gehören nämlich langkettige Omega-3-Fettsäuren wie die Docosahexaensäure oder die Eicosapentaensäure, die in Makrele oder Lachs in leckerer Form vorliegen. Uridin in der Form von Uridin-Monophosphat bietet beispielsweise der Brokkoli – die Substanz wird leider aber nicht gut vom Körper aufgenommen. In vielen Vitaminpräparaten ist es allerdings auch enthalten. Die zusätzliche Einnahme von Uridin sollte aber mit dem Arzt abgesprochen werden, Uridin kann nämlich mit anderen Medikationen in Konflikt geraten. Cholin und viele weitere gute Zutaten zur geistigen Gesundheit sind zum Beispiel auch in Hühnereiern enthalten. Bevor man sich also einen teuren, täglichen Nährstofftrank zuführt, sollte man sich wohl lieber direkt mit den Erdbeerfrüchten oder Vanillemilch den Tag versüßen, seine Nährstoffe mit einer vielseitigen Ernährung auf schmackhaftere Weise einnehmen und auf weitere Studien warten.
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