Nicht immer ist der Lebensstil Schuld – Faktoren und Krankheiten, die zu Adipositas führen
Original Titel:
A comprehensive diagnostic approach to detect underlying causes of obesity in adults
MedWiss – Viele Menschen in Deutschland sind von Adipositas betroffen. Adipositas ist eine chronische Krankheit, die einer ärztlichen Behandlung bedarf. Erstaunlich ist, dass die Diagnosephase für die Erkrankung Adipositas häufig nur sehr karg ausfällt. Anstatt dass wie bei anderen Krankheiten im ausführlichen Gespräch mit dem Arzt auf die Suche nach Ursachen für die Erkrankung gegangen wird, erhalten die Betroffenen häufig direkt Empfehlungen für eine Gewichtsabnahme und Ratschläge zum Umgang mit möglichen Begleiterkrankungen.
In der Gesellschaft herrscht ohnehin weit verbreitet die Annahme, Adipositas sei selbst verschuldet und durch einen Mangel an Bewegung und ungesunde Ernährung ausgelöst. Dabei existieren einige Krankheiten oder Faktoren, die eine Gewichtszunahme begünstigen oder eine Gewichtsabnahme erschweren können. Hierzu zählen hormonelle und genetische Abnormalitäten, mentale und soziokulturelle Faktoren und Nebenwirkungen von Medikamenten.
Wissenschaftler aus den Niederlanden und Kanada haben nun in ihrer Studie mögliche Ursachen für Adipositas übersichtlich dargestellt. Wir gehen im Folgenden auf die wichtigsten Ursachen ein:
- Genetische Faktoren – dazu zählen diverse Krankheiten wie z. B. Prader-Willi-Syndrom (Behinderung, die durch eine Fehlfunktion des Zwischenhirns verursacht wird), Bardet-Biedl-Syndrom (angeborene Entwicklungsstörung), 16p11.2 Mikrodeletions-Syndrom (Entwicklungsverzögerung mit leichter geistiger Behinderung)
- Schäden am Hypothalamus (= Gehirnbereich im Zwischenhirn) durch z. B. Operation oder Strahlenbehandlung
- Hormonelle Ursachen wie das PCO-Syndrom (polyzystisches Ovarialsyndrom; Stoffwechselstörungen geschlechtsreifer Frauen mit erhöhtem Spiegel an männlichen Hormonen und Ausbleiben des Eisprungs; häufiger Grund für Unfruchtbarkeit), das Cushing-Syndrom (körperliche Veränderungen, die durch einen hohen Cortisolspiegel im Blut bedingt werden), Hypogonadismus (Testosteronmangel beim Mann), ein Mangel an Wachstumshormonen, die Wechseljahre oder eine Schwangerschaft
- Einige Medikamente, v. a. Medikamente zur Behandlung von Depressionen, Psychosen und Epilepsie, Blutdruckmedikamente, Insulin (bei Diabetes), Kortikosteroide (werden z. B. zur Behandlung von Rheuma oder Hautkrankheiten eingesetzt)
- Psychische Krankheiten – insbesondere Depressionen und die Binge-Eating-Störung (Essattacken mit Kontrollverlust)
- Lebensstilfaktoren – hierzu zählen eine zu hohe Nahrungsaufnahme, fehlende Bewegung, Alkoholmissbrauch, nächtliches Essen, wiederholte Diäten, die zu einem Jojo-Effekt führen, schlechte Schlafgewohnheiten, Nachtarbeit, chronischer Stress
Adipositas kann vielfältige Ursachen haben, wie diese Studienergebnisse zeigen. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler rufen Ärzte dazu auf, vor der Therapie von Personen mit Adipositas eine ausführliche Diagnosestellung zu betreiben. Dazu sollen zunächst Angaben zur Krankheitsgeschichte, dem Gebrauch von Medikamenten und dem soziokulturellen Umfeld erfragt werden. Danach sollte eine ausführliche körperliche Untersuchung erfolgen. Besteht der Verdacht, dass eine Krankheit Auslöser für die Adipositas ist, sollten sich spezifische Teste anschließen. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Krankheit Adipositas effektiver und individueller zu behandeln.
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