Unwissenheit sorgt für Entscheidungsnot der Angehörigen – DGFG veröffentlicht neue Internetseite

Die DGFG konnte im vergangenen Jahr 2.669 Gewebespenden bei Verstorbenen realisieren. Knapp 90 Prozent der Gewebespender ist an Herz-Kreislauf-Versagen gestorben. Häufig erfahren die Angehörigen in dem Aufklärungsgespräch zum ersten Mal von der Gewebespende – eine zusätzliche Belastung in der ohnehin schweren Situation der Trauer und des Verlusts. Um Angehörigen diese Unsicherheit zu nehmen und eine Entscheidungsfindung jedes Einzelnen zu Lebzeiten zu fördern, klärt die DGFG mit Patientengeschichten, Videos, Bild- und Infomaterial auf www.gewebenetzwerk.de zur Gewebespende auf. Die Neugestaltung der Internetseite wurde von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gefördert.

Ziel der Neugestaltung der Internetseite der DGFG ist die Verbesserung der allgemeinen Aufklärung zur Gewebespende. Die Internetseite ist eine Ergänzung zu den bereits vorhandenen Informationen auf www.organspende-info.de, wo die BZgA bereits mit Schwerpunkt auf der Organspende auch über die Gewebespende informiert. Auf www.gewebenetzwerk.de kommen mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Gewebespende zusammen – nun auch vermehrt mit Erfahrungsberichten transplantierter Patienten und Angehörigen.

In mehr als 70 Prozent der Fälle ist der Wille nicht bekannt

Insgesamt gingen im letzten Jahr knapp 36.000 Meldungen potenzieller Gewebespender aus den Kliniken im Netzwerk bei der DGFG ein. Jede dieser Meldungen wird von einem der insgesamt 45 Koordinatoren der DGFG überprüft. Kommt ein Verstorbener für die Gewebespende in Frage, kontaktieren die Koordinatoren die nächsten Angehörigen. Im letzten Jahr wurden 7.681 Gespräche mit Angehörigen geführt, um auf die Möglichkeit der Gewebespende hinzuweisen und bei einer informierten Entscheidung im Sinne der verstorbenen Person zu unterstützen. 72 Prozent der Angehörigen (n = 5.573) trafen eine Entscheidung für oder auch gegen eine Gewebespende entweder anhand des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen oder der eigenen Wertvorstellungen, da zu Lebzeiten keine Entscheidung zur Gewebespende getroffen oder mitgeteilt wurde. In immerhin 1.008 Fällen wurde im Vorfeld über das Thema Gewebespende, meist in Verbindung mit Organspende, gesprochen. Nur 660 Verstorbene hatten ihre Entscheidung zur Gewebespende schriftlich zu Lebzeiten dokumentiert.

„Grundsätzlich freut es uns natürlich, dass mehr als jeder Dritte ‚Ja‘ sagt zur Gewebespende. Das zeigt deutlich, dass die Gewebespende als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen wird – jenseits der gegenwärtigen Diskussion um die Widerspruchslösung im Bereich der Organspende. Dass bei jedem zweiten von uns die eigenen Angehörigen darüber entscheiden, ob man Gewebe spendet oder nicht, zeigt, dass an dieser Stelle hoher Aufklärungsbedarf besteht. Wir freuen uns daher sehr, dass die BZgA die Neustrukturierung unserer Internetseite und unser Ziel, die Aufklärung zur Gewebespende in Deutschland zu fördern, unterstützt. Dafür bedanken wir uns sehr“, sagt Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG.

Aufklärung hilft – in der Entscheidungsfindung und Patientenversorgung

Was es heißt, ein Organ zu spenden, weiß heute so ziemlich jeder: Leben retten. Doch was es heißt, Gewebe zu spenden, das weiß kaum jemand: Leben verbessern und im Zweifel auch retten. Die DGFG hat für ihre Aufklärungsarbeit mehrere Patienten gefragt, wie es ihnen heute mit ihrem Gewebetransplantat geht und wie sie zur Gewebespende stehen: Augenhornhautempfänger können heute wieder richtig sehen und am alltäglichen Leben, aus dem sie sich krankheitsbedingt mehr und mehr zurückgezogen haben, teilnehmen. „Ich kann wieder alleine verreisen, den PC bedienen, ein Handy benutzen. … Und das größte Glück, ich kann meinen Enkelkindern wieder vorlesen“, erzählt Augenhornhautempfängerin Heidi Lotz im Film zur Gewebespende, den die DGFG zusammen mit Studierenden der Hochschule Hannover in 2017 realisiert hatte. In einem weiteren Film zur Knochen- und Knorpelspende zeigen Transplantatempfänger, was es heißt, heute wieder mobil zu sein und schmerzfrei durchs Leben gehen zu können. Im zuletzt erschienenen Aufklärungsfilm zur Herzklappenspende berichtet Signe Lenz-Somdalen: „Ohne diese Herzklappe wäre meine zweite Tochter heute nicht auf dieser Welt.“ Sie alle vereint die hohe Dankbarkeit dem Spender und seinen Angehörigen gegenüber.

„Auf jeden einzelnen dieser Menschen, denen durch eine Gewebespende geholfen werden konnte, kommt es am Ende an. Auf der einen Seite sind sie der Ansporn in unserer Aufklärungsarbeit, andererseits können sie den Menschen helfen, das Thema Gewebespende zu verstehen und eine informierte Entscheidung zu finden“, betont Börgel. Neben umfangreichen Informationen zur Gewebespende und Aufklärungsbroschüren zum Download, den gewebespezifischen Voraussetzungen, Abläufen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, kommen auf www.gewebenetzwerk.de auch transplantierte Patienten und Angehörige zu Wort.

Die Gewebespende – ein Geschenk ans Leben

Jeder Mensch, der an einem Herz-Kreislauf-Stillstand verstirbt, kann Gewebe spenden – im Falle der Augenhornhaut sogar noch bis zu 72 Stunden nach dem Tod. In der Gewebespende gibt es keine festen Altersgrenzen. Voraussetzungen zur Gewebespende sind:
• die Todesfeststellung nach den Richtlinien der Bundesärztekammer,
• die Einwilligung des Verstorbenen zu Lebzeiten oder die seiner Angehörigen im Sinne des Verstorbenen,
• der Ausschluss von Risikofaktoren, wie z. B. übertragbare Krankheiten.

Gewebe, die nach dem Tod gespendet werden können, sind neben Augenhornhäuten, Herzklappen und Blutgefäßen auch Knochen, Sehnen, Bänder und Haut. Die Hirntoddiagnostik spielt bei der Gewebespende keine Rolle. 5.494 Menschen erhielten im letzten Jahr ein Gewebetransplantat aus dem Netzwerk der DGFG. Den Großteil bildeten dabei die Augenhornhauttransplantate: 3.661 Patienten konnte das Augenlicht gerettet werden. Großer Bedarf besteht nach wie vor in der Versorgung mit Herzklappen und Blutgefäßen aus der postmortalen Gewebespende. Die DGFG konnte 2018 insgesamt 123 Herzklappen und 75 Gefäße zur Transplantation vermitteln.

Zur DGFG

Die DGFG ist eine unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft, die seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland fördert. Getragen wird die DGFG ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg. Die DGFG ist in ihrer Aufbaustruktur, der Freiwilligkeit der Unterstützung durch die Netzwerkpartner und ihrer Unabhängigkeit von privaten oder kommerziellen Interessen einzigartig in Deutschland. Auf der Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen.

Im Gegensatz zur Organspende muss sich die Gewebespende selbst finanzieren: Die DGFG refinanziert sich über die Erstattungssätze der zur Transplantation vermittelten Gewebetransplantate. Diese Erstattungssätze decken ausschließlich die angefallenen Kosten für die Gewebespende in den Krankenhäusern, die Verarbeitung zum Transplantat in den Gewebebanken sowie den Aufwand der Vermittlung. Die DGFG erhält weder Zuschüsse von Krankenkassen noch aus der öffentlichen Hand. Um Aufklärungsarbeit wie die Gestaltung einer Webseite, Forschungsprojekte oder die Arbeit in den Gewebebanken zu unterstützen, ist die DGFG auf Spendengelder angewiesen. 2016 hat die DGFG dazu ein eigenes Fundraising ins Leben gerufen. Drei Aufklärungsfilme sowie eine Fotoreportage zur Augenhornhautspende konnten bereits darüber finanziert werden.

Alle Angaben zu den Jahreszahlen 2018 sind vorläufig (Stand 27.12.2018).

Weitere Informationen:

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https://gewebenetzwerk.de/neue-internetseite-dgfg-gewebespende/
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