Sprachänderungen während eines Migräneanfalls: eine messbare Eigenschaft akuter Attacken?
Original Titel:
Altered speech with migraine attacks: A prospective, longitudinal study of episodic migraine without aura
MedWiss – Ist die Sprache während einer Migräneattacke anders als sonst? Forscher bestätigten diese Einschätzung Betroffener: Sprachveränderungen waren bei etwa der Hälfte der untersuchten Migränepatienten im Vergleich zu Kontrollpersonen, aber auch in der akuten Migräne im Vergleich zur Phase zwischen den Attacken, nachweisbar. Damit könnten Sprachänderungen eine messbare Eigenschaft von Migräneattacken sein.
Manche Patienten mit Migräne berichten von Veränderungen ihrer Sprache während der Migräneanfälle. Ziel einer neuen Untersuchung war es, diese Wahrnehmungen konkret zu erfassen. Dazu wurden objektive Eigenschaften der Sprache vor, während und zwischen Migräneanfällen gemessen.
In dieser Beobachtungsstudie wurden Patienten mit episodischer Migräne und gesunde Kontrollpersonen untersucht. Die Teilnehmer gaben dreimal täglich Sprachproben mithilfe einer speziellen Smartphone-App ab. Aus den Sprachproben wurden sechs Spracheigenschaften ermittelt, anhand derer auf die Aussprache (Artikulation) und Prosodie geschlossen werden konnte. Unter Prosodie sind beispielsweise Spracheigenschaften wie Länge der Silben, Tonhöhe und ähnliches zusammengefasst, die wir unter anderem als Betonung von Wörtern und Silben wahrnehmen.
Sprachgeschwindigkeit, Präzision der Aussprache und Länge der Silben
Teilnehmer mit Migräne führten außerdem täglich ein Kopfschmerztagebuch mit derselben App, die auch die Sprache aufzeichnete. So konnten Spracheigenschaften gezielt in bestimmten Migränephasen analysiert werden.
Insgesamt wurden 56 767 Sprachproben aufgezeichnet, davon 43 102 von 15 Teilnehmern mit Migräne und 13 665 von gesunden Kontrollen in vergleichbarer Alters- und Geschlechtszusammensetzung. Sprachunterschiede zeigten sich nicht nur zwischen Gesunden und Migränepatienten, sondern auch innerhalb der Migränegruppe im Vergleich der verschiedenen Phasen, vor, während und zwischen den Anfällen. Besonders deutlich und konsistent waren Veränderungen in der Sprechgeschwindigkeit sowie der Präzision und Artikulationsrate, die gewissermaßen die Länge der Pausen zwischen den Wörtern berücksichtigt. Auch die Dauer einzelner Klänge in der Sprache (beispielsweise eines ‚A‘ in ‚Klang‘), die phonatorische Dauer, war bei Teilnehmern mit Migräne messbar verändert. Die Forscher analysierten auch die Ergebnisse jedes einzelnen Patienten und fanden, dass bei 7 von 15 Teilnehmern mit Migräne signifikante Änderungen in mindestens einer Spracheigenschaft im Vergleich der akuten Migräne mit der interiktalen Phase zwischen den Anfällen auftraten. Bei vier Patienten war dies auch im Vergleich der Phase vor der Migräne mit der interiktalen Phase zu messen.
Sprachänderungen: eine messbare Eigenschaft akuter Migräneattacken?
Damit bestätigten die Forscher die Einschätzung Betroffener: Sprachveränderungen waren bei etwa der Hälfte der untersuchten Migränepatienten messbar. Die Veränderungen waren besonders während der Attacken messbar im Vergleich zu Kontrollpersonen, aber auch im Vergleich zur interiktalen Phase der Betroffenen selbst. Dieses Symptom der Migräne könnte, wenn weitere Studien es bestätigen, als eine messbare Eigenschaft von Migräneattacken betrachtet werden.
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