Fallfuß bei Multipler Sklerose: Elektrische Stimulation des Fußheber-Nervs oder mechanische Fuß-Orthese?
Original Titel:
The clinical- and cost-effectiveness of functional electrical stimulation and ankle-foot orthoses for foot drop in Multiple Sclerosis: a multicentre randomized trial.
- Vergleich der elektrischen Stimulation des Fußheber-Nervs (FES) im Vergleich mit mechanischer Fußstütze (Orthese)
- Multizentrenstudie über ein Jahr mit 85 Patienten
- Mit beiden Methoden innerhalb eines Jahres mit schnellerem Schritt unterwegs, aber souveräner mit FES
MedWiss – FES oder Orthese? Ob bei der Fußheberschwäche (Fallfuß) bei Multipler Sklerose die elektrische Stimulation des Fußheber-Nervs (FES) oder doch eher eine mechanische Fußstütze (Orthese) Betroffenen helfen, besser zu gehen, untersuchten britische Forscher in einer Multizentrenstudie. Beide Methoden verhalfen demnach innerhalb eines Jahres zu schnellerem Schritt, unterschieden sich aber in psychologischen Aspekten.
Ein Fallfuß, auch als Fußheberschwäche bekannt, ist ein häufiges Symptom der Multiplen Sklerose: Der Peroneus-Nerv, der den Fuß anheben soll, wird zunehmend vom Immunsystem angegriffen und in seiner Funktion gestört. Der Fuß wird dadurch schlaff und zeigt im Gang mit der Spitze nach unten statt angehoben zu werden. Die Folge sind Gangunsicherheiten, vermehrte Stürze und damit auch eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität.
Zur Unterstützung der Patienten gibt es aktuell besonders zwei Arten medizinischer Hilfsmittel. Eine Art Schrittmacher für den Fuß, der den Nerv elektrisch stimuliert und so die Funktion fördert, ist eine mögliche Abhilfe. Diese Methode zur funktionellen elektrischen Stimulation wird abgekürzt als FES bezeichnet. Ein anderer Ansatz sind Orthesen, die allgemein zur Stabilisierung, Entlastung oder Korrektur von Körperteilen zum Einsatz kommen. Bei einem Fallfuß können spezielle Orthesen den Bewegungsablauf beim Gehen unterstützen und die Position des Fußes verbessern.
FES oder Orthese? Elektrische Stimulation des Fußheber-Nervs im Vergleich mit mechanischer Fußstütze
Welche dieser beiden Methoden wirkungsvoller Patienten in der Anwendung über ein Jahr halfen, untersuchten nun Forscher aus Großbritannien. Dabei ermittelten sie auch, welche der Methoden kosteneffektiver eingesetzt werden konnte. Bei dieser Frage, die besonders für die Durchsetzung der Erstattung eines Hilfsmittels bei den Kassen interessant ist, wird beispielsweise darauf geachtet, wie teuer die Geräte sind, ob spezielle Schulungen notwendig sind oder wieviel Unterstützung durch medizinisches Personal die Patienten zur Anwendung benötigen.
Wie wirksam beide Methoden halfen, wurde im Vergleich zum Beginn der Studie nach 3, 6 und 12 Monaten mit verschiedenen typischen Tests untersucht. Dazu gehörten der 5-Minuten Gehtest, bei dem Patienten im selbstgewählten Tempo gehen, und ein 25-Fuß-Gehtest (etwa 8 m) mit Stoppuhr. Außerdem wurde die Anstrengung des Gehens über den Sauerstoffverbrauch gemessen, die Belastung durch die MS, die Selbsteinschätzung der Gehfähigkeit, die individuelle Lebensqualität und Erschöpfungssymptome (Fatigue) mit Fragebögen erfasst. Weiter bestimmten die Forscher, wie gut das Gleichgewicht der Patienten und das Vertrauen in ihre Stabilität beim Gehen war, sowie wie sich das jeweilige Hilfsmittel psychologisch auswirkte (PIADS, kurz vom engl. psychosocial impact of assistive devices): dabei stehen besonders gefühlte Unabhängigkeit, Wohlbefinden und Lebensqualität im Blickpunkt.
Multizentrenstudie mit 85 Patienten
Dies Untersuchung wurde in sieben spezialisierten, ambulanten MS-Zentren in Schottland durchgeführt. Teilnehmende Patienten wurden zufällig entweder einer Behandlung mit einer Fuß-Orthese oder einem FES-System zugewiesen.
85 bisher unbehandelte Patienten mit Multipler Sklerose und Fallfuß seit mindestens drei Monaten nahmen an der Untersuchung teil. 43 Teilnehmer erhielten eine für sie hergestellte Orthese, 42 Teilnehmer erhielten ein FES-Gerät.
Die Patienten beider Gruppen waren im Schnitt im gleichen Alter (Orthese: 51,4 Jahre, FES: 50,4 Jahre) und hatten zu Beginn der Untersuchung eine vergleichbare Ganggeschwindigkeit (Orthese: 0,62 m/s, FES: 0,73 m/s). Insgesamt brachen 38 % der Teilnehmer die Studie vorzeitig ab: 21 Patienten mit der Orthese wollten die Studie nicht zu Ende durchführen, 11 Patienten nutzten das FES-Gerät für weniger als ein Jahr. Die Hilfsmittel halfen den Teilnehmern beider Gruppen nach 12 Monaten schneller zu gehen. Mit der Orthese erreichten die Patienten im Mittel 0,73 m/s, mit dem FES-Gerät 0,79 m/s. Psychologisch schien aber das FES-Gerät besser zu wirken als die Orthese (PIADS-Wert): Die Patienten fühlten sich mit dem Fuß-Schrittmacher unabhängiger und fähiger als zuvor (Unterpunkt Kompetenz), empfanden größere Flexibilität und Möglichkeiten zur Teilhabe (Unterpunkt Anpassbarkeit) und empfanden größeres Selbstvertrauen und weniger Frustration. In anderen Messwerten waren die Geräte vergleichbar.
Innerhalb eines Jahres mit schnellerem Schritt unterwegs, aber unterschiedlich souverän
Zwar brach ein großer Teil der ursprünglichen Teilnehmer die Untersuchung vorzeitig ab, zusammenfassend konnten aber sowohl Orthese als auch Fuß-Schrittmacher FES Patienten mit Fallfuß infolge einer MS-Erkrankung helfen, schneller zu gehen. Besonders durch die elektrische Unterstützung des Fußes empfanden die Betroffenen eine stärkere Unabhängigkeit und Teilhabe. Damit könnte sich diese Art des Hilfsmittels auch finanziell stärker rechnen, da Betroffene länger mobil sein können.
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