Waffen im Kampf gegen Leukämie geschärft

Molekularmediziner/innen der ÖAW untersuchten gemeinsam mit internationalen Kolleg/innen die Wirkungsweise einer neuen Behandlungsform gegen Blutkrebs. Die dazu im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlichte Studie kann dabei helfen, personalisierte Therapie-Ansätze weiter zu verbessern.

Chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste Form von Blutkrebs (Leukämie) in der westlichen Welt und betrifft ungefähr einen von hundert Krebspatient/innen. Diese Art von Krebs erfasst Lymphozyten, eine Art weißer Blutkörperchen, die im Knochenmark produziert werden. CLL ist durch die schnelle Vermehrung abnormaler Lymphozyten gekennzeichnet, die nicht reifen und außer Kontrolle geraten. Diese abnormalen Zellen reichern sich im Knochenmark und in den Lymphknoten an, ersetzen andere gesunde Zelltypen und behindern deren normale Entwicklung. Aufgrund der klinischen und molekularen Heterogenität dieser Krankheit ist es eine Herausforderung, für jede/n Patienten/in die passende Therapie zu finden. Einige Patient/innen können viele Jahre gut mit der Krankheit leben, während die Erkrankung bei anderen schnell fortschreitet und eine rasche medizinische Intervention erfordert.

Das Krebsmedikament Ibrutinib ist bei den meisten Patient/innen mit CLL sehr wirksam undgilt aufgrund seiner Verträglichkeit als Standardtherapie für die Versorgung der meisten Patient/innen. Es heilt die Krankheit jedoch nicht und Betroffene müssen dauerhaft behandelt werden. Forscher/innen des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) um Christoph Bock untersuchten nun die molekularen Auswirkungen, mit denen CLL-Zellen und andere Immunzellen auf die Behandlung mit Ibrutinib bei Patient/innen mit CLL ansprechen, näher. Ihr Ziel war es, Muster aufzudecken, die vorhersagen, wie schnell sich die Behandlung auf die CLL-Zellen auswirkt und wie lange es dauert, bis individuelle Patient/innen auf die Therapie ansprechen.

In früheren Studien hatten Wissenschaftler/innen bereits einzelne Aspekte der molekularen Reaktion auf Ibrutinib untersucht, wobei der Schwerpunkt hauptsächlich auf Veränderungen in der DNA und in der Gen-Aktivität von Krebszellen lag.

Die CeMM-Forscher/innen konnten nun zum ersten Mal eine umfassende Analyse des genetischen Programms vorlegen, das von diesem Medikament ausgelöst wird, wie sie im Fachjournal „Nature Communications“ aktuell berichten.

Krebszellen im Schlafmodus

Durch Analyse des Datensatzes konnten die Autor/innen, darunter André Rendeiro, Thomas Krausgruber und Christoph Beck, im Detail beschreiben und verstehen, wie Ibrutinib im Therapieverlauf bei allen Patient/innen ähnliche Auswirkungen auf Krebszellen hat. Sie stellten fest, dass Ibrutinib direkt das Zentrum der CLL-spezifischen Gen-Aktivität angreift, wodurch die Gene, die die Krebszellidentität der CLL-Zellen prägen, abgeschaltet und in einen Ruhezustand versetzt werden. Dadurch teilen sich die Krebszellen nicht mehr, sondern warten, dass sie sich unter den richtigen Bedingungen eventuell erneut vermehren können.

Dank dieser ersten hochauflösenden genomischen Zeitreihe der molekularen Reaktion auf eine gezielte Therapie bei Krebspatient/innen eröffnet sich ein breit einsetzbarer Ansatz zur Analyse der genetischen Programme, die von Krebsmedikamenten ausgelöst werden. Außerdem könnte die Studie helfen, das Ansprechen einzelner Patient/innen auf diese Krebstherapie frühzeitig zu erkennen und auf molekularer Ebene zu überwachen

Die Studie ist das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Forscher/innen der Abteilung für Hämatologie und Stammzelltransplantation des Nationalen Instituts für Infektologie und Hämatologie des Zentralkrankenhauses für Süd-Pest und der Abteilung für Pathologie und experimentelle Krebsforschung der Semmelweis Universität in Budapest (Ungarn).

Publikation

„Chromatin mapping and single-cell immune profiling define the temporal dynamics of ibrutinib response in chronic lymphocytic leukemia“,
André F. Rendeiro, Thomas Krausgruber, Nikolaus Fortelny, Fangwen Zhao, Thomas Penz, Matthias Farlik, Linda C. Schuster, Amelie Nemc, Szabolcs Tasnády, Marienn Réti, Zoltán Mátrai, Donat Alpar, Csaba Bödör, Christian Schmidl, Christoph Bock, Nature Communications, 2020.
DOI: 10.1038/s41467-019-14081-6