Wie sieht die längerfristige Entwicklung der geistigen Fitness bei der Bipolaren Störung aus?
Original Titel:
Three-year longitudinal cognitive functioning in patients recently diagnosed with bipolar disorder.
- Wie sieht die längerfristige Entwicklung der geistigen Fitness bei der Bipolaren Störung aus?
- Entwicklung kognitiver Fähigkeiten nach erster manischer Episode im Vergleich zu Kontrollpersonen
- Grunderkrankung wirkt sich aus, die Denkleistung stabilisiert sich allerdings und entwickelt sich normal weiter
MedWiss – Bei einer Erkrankung wie der Bipolaren Störung kommen zu den starken Stimmungsschwankungen mit manischen und depressiven Episoden auch Effekte auf die Denkleistung hinzu, die im alltäglichen und sozialen Umgang belastend sind und die Lebensqualität beeinträchtigen. Aber wie sich die Bipolare Störung und geistige Fitness längerfristig auswirken, ist noch nicht klar. Dazu untersuchten kanadische Forscher nun Patienten nach der Erstdiagnose und gesunde Kontrollen über drei Jahre hinweg.
Die längerfristige Entwicklung sogenannter neuropsychologischer Funktionen nach einer ersten manischen Episode bei der Bipolaren Störung ist bislang unbekannt. Ob sich eine solche Erkrankung auch in der geistigen Fitness niederschlägt, untersuchten Forscher nun über die ersten drei Jahre nach einer ersten manischen Phase.
Wie sieht die längerfristige Entwicklung der geistigen Fitness bei der Bipolaren Störung aus?
An der Studie nahmen 91 neu-diagnostizierte Patienten mit der Bipolaren Störung teil. Verglichen wurden sie mit 61 gesunden Teilnehmern in ähnlichem Alter und vergleichbarer Häufigkeit von Männern und Frauen in der Gruppe. Alle Teilnehmer wurden neuropsychologisch untersucht. Im Blick waren dabei verschiedene kognitive Aspekte wie etwa sprachliche Gedächtnisleistungen, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeit, planerisches Denken und Impulskontrolle. Dies wurde zu Beginn der Studie sowie nach einem und drei Jahren untersucht. Zu allen diesen Zeitpunkten wurden die Patienten auch klinisch mit Fokus auf ihre Stimmung untersucht.
Entwicklung kognitiver Fähigkeiten nach erster manischer Episode
Die Patienten waren in allen Bereichen zu Beginn der Untersuchung schwächer als die gesunden Kontrollen. In der Mehrzahl der geistigen Leistungen entwickelten sie sich allerdings vergleichbar zu den Menschen ohne Bipolare Störung über die weitere Studiendauer. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Patienten nahm im ersten Jahr deutlicher zu als die der gesunden Teilnehmer, stabilisierte sich anschließend allerdings. Patienten, die Alkohol- oder sonstigen Substanzmissbrauch betrieben, waren anfänglich verzögert in ihren planerischen Fähigkeiten und der Impulskontrolle (exekutive Funktionen), erholten sich schließlich aber. Das Sprachgedächtnis fiel besonders mit Blick auf bestimmte Medikationen auf: Patienten, die eine antipsychotische Behandlung abbrachen, hatten ein besseres verbales Gedächtnis.
Grunderkrankung wirkte sich aus, aber ohne fortschreitende Einschränkung
Demnach fand die Studie mit Menschen mit Bipolarer Störung kurz nach der Diagnose und erster deutlicher manischer Phase zwar einen Rückstand in verschiedenen kognitiven Aspekten gegenüber gesunden Menschen, aber auch eine normale weitere Entwicklung über die folgenden drei Jahre. Die Grunderkrankung wirkte sich demnach zwar aus, bewirkte aber keine fortschreitende Einschränkung der geistigen Fähigkeiten. Relevant ist hier vermutlich auch, dass die Betroffenen in dieser Studie klinisch diagnostiziert und behandelt wurden. Bei einer unbehandelten Erkrankung könnte der Verlauf also womöglich anders sein. Interessant ist auch, dass eine antipsychotische Behandlung starker auf das verbale Gedächtnis zu drücken schien – aber trotzdem je nach Diagnose durchaus eine sinnvolle Behandlungsform sein könnte.
Bipolare Störung und geistige Fitness: mehr Forschung nötig, wie auch mehr Unterstützung für Betroffene
Zu hoffen ist, dass in weiteren Untersuchungen der Verlauf der Symptome und Effekte auf die geistige Fitness ab früher Stadien der Bipolaren Störung klarer wird, um entsprechend auch bessere Fördermöglichkeiten oder verbesserte Behandlungsansätze für Betroffene zu etablieren.
© Alle Rechte: HealthCom