Tabakkontrollskala: Deutschland belegt letzten Platz
Aktionsbündnis Nichtrauchen fordert Politik zum Handeln auf
Europa – und damit auch Deutschland – soll bis 2040 rauchfrei werden – so die Vision der im Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) zusammengeschlossenen Gesundheitsorganisationen, darunter auch die Deutsche Krebshilfe. Von dieser Vision ist die Bundesrepublik jedoch noch weit entfernt: Im europäischen Vergleich der Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums belegt Deutschland den letzten Platz. Dies zeigt die „Europäische Tabakkontrollskala 2019“, die am 20. Februar 2020 auf einer Pressekonferenz im Rahmen der „European Conference on Tobacco or Health (ECToH)“ vorgestellt wurde. Die ECToH findet in diesem Jahr parallel zum Deutschen Krebskongress in Berlin statt. „Der letzte Platz ist ein Armutszeugnis für uns“, sagte Dr. Martina Pötschke-Langer, Vorsitzende des ABNR. „Er ist das Resultat jahrelanger politischer Untätigkeit. Damit muss jetzt endlich Schluss sein – denn schließlich geht es um Menschenleben!“
„Die Tabakkontrollskala ist eine Rangliste von 36 europäischen Ländern – und zwar basierend auf Maßnahmen, die sie seit 2016 zur Verringerung des Rauchens in der Bevölkerung umgesetzt haben“, erklärte Luk Joossens von der Association of European Cancer Leagues (ECL) und Initiator der Tabakkontrollskala. Seit 2006 quantifiziert Joossens alle drei Jahre insgesamt sechs Maßnahmen, die im Kampf gegen Tabakkonsum als wirksam eingestuft werden und daher im Rahmen einer umfassenden Tabakpräventionsstrategie eingeführt werden sollten. Dazu zählen Tabaksteuererhöhungen, Rauchverbote, Aufklärungskampagnen, ein umfassendes Tabakwerbeverbot, Warnhinweise auf Tabakverpackungen und Unterstützung beim Rauchstopp. Deutschland bildet aktuell das Schlusslicht der Skala, wie Joossens berichtete.
Forderungen des ABNR
„Dieses Ergebnis ist erschreckend und tut weh“, so Pötschke-Langer. „Damit wir im Europäischen Vergleich nicht den Anschluss verlieren, muss Deutschland handeln – und zwar jetzt!“ Das ABNR und mit ihm die Deutsche Krebshilfe fordert unter anderem eine Vereinheitlichung des Nichtraucherschutzes in allen öffentlichen Räumen und Arbeitsstätten und kontinuierliche sowie spürbare Steuererhöhungen auf herkömmliche Tabakprodukte, aber auch auf Tabakerhitzer und E Zigaretten. Steuererhöhungen seien eines der wirksamsten Mittel zur Tabakprävention, wenn sie mit spürbaren Preiserhöhungen einhergehen.
Darüber hinaus dringt das ABNR auf ein umfassendes Werbeverbot für Tabakprodukte und E-Zigaretten. „Deutschland ist das einzige Land in der EU, das immer noch uneingeschränkt Außenwerbung für Tabakprodukte erlaubt“, konstatierte Pötschke-Langer. Die CDU/CSU-Fraktion hat zwar Ende 2019 nach jahrelanger Blockade endlich ein Eckpunktepapier verabschiedet, das eine Ausweitung der Werbeverbote für Tabakprodukte und E-Zigaretten vorsieht. Einen entsprechenden mit dem Koalitionspartner abgestimmten Gesetzentwurf gibt es jedoch immer noch nicht. Das ABNR fordert nun eine schnelle Einbringung und parlamentarische Beratung sowie kürzere Übergangsfristen und weniger Ausnahmen als im Gesetzentwurf der Union vorgesehen.
Prävention ist keine Privatsache
„Der aktuelle Zustand ist absolut enttäuschend, vor allem für die vielen Raucher, die aus ihrer Sucht aussteigen möchten, aber zu wenig Unterstützung erhalten“, kommentierte Dr. Ulrike Helbig von der Deutschen Krebshilfe. Bundesweit konsumieren derzeit immer noch fast ein Viertel der Erwachsenen und sieben Prozent der Minderjährigen Tabakprodukte. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist zudem der E-Zigarettenkonsum in den letzten Jahren stark gestiegen.
Jedes Jahr sterben in Deutschland 121.000 Menschen an Erkrankungen, die durch das Rauchen verursacht werden. Dazu zählen insbesondere Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie zahlreiche Krebsarten. Rund ein Drittel aller Krebserkrankungen gehen auf das Konto von Tabakrauch. Bei den Organen, die direkt mit dem Rauch in Berührung kommen, wie Mundhöhle, Kehlkopf und Lunge, sind es bis zu 90 Prozent. Rauchen ist damit der größte vermeidbare Krebsrisikofaktor. Auch E Zigaretten sind gefährlich – darauf hat die Weltgesundheitsorganisation erneut hingewiesen. Die Langzeitfolgen könnten nicht abgesehen werden.
Die Deutsche Krebshilfe engagiert sich seit vielen Jahren im Kampf gegen das Rauchen. Sie fördert beispielsweise den Nichtraucherwettbewerb „Be Smart – Don’t Start“ in Schulen und unterstützt Raucherinnen und Rauchern mit kostenfreien Präventionsmaterialien und persönlicher Beratung beim Rauchstopp. „Prävention ist aber keine reine Privatsache. Die Politik muss die Voraussetzungen für einen gesunden Lebensstil schaffen. Nur dann können wir unsere Vision von einem rauchfreien Deutschland bis 2040 erreichen“, so Helbig.
Andere Länder machen erfolgreiche Tabakkontrolle vor
Dass es auch anders geht zeigen unter anderem Slowenien, Griechenland und Österreich. Werbe- und Rauchverbote haben dazu geführt, dass sich diese Länder im Ranking erheblich verbessert haben: Slowenien von Platz 28 auf Platz 8; Griechenland von 31 auf 13, Österreich von 35 auf 20. Neben Großbritannien und Irland steht erstmals auch Frankreich mit an der Spitze der Tabakkontrollskala. Frankreich hat als drittes Land weltweit Einheitsverpackungen für Zigaretten eingeführt. „All diese Länder zeigen uns, dass durch politische Maßnahmen viel für die Gesundheit der Bevölkerung erreicht werden kann. Sie haben damit eine Vorbildfunktion für jene Staaten, die sich bislang kaum für das Nichtrauchen einsetzen“, so Dr. Sakari Karjalainen, Präsident der ECL.
Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR)
Das AKTIONSBÜNDNIS NICHTRAUCHEN setzt sich seit 1992 für eine umfassende Tabakprävention in Deutschland ein. Geleitet wird dieses Engagement von drei Zielen:
den Einstieg in das Rauchen zu verhindern,
den Ausstieg aus dem Rauchen zu fördern,
vor Passivrauchen zu schützen.
Das ABNR ist dabei auf Bundes- und Länderebene sowie im internationalen Kontext tätig.
Neben der Stiftung Deutsche Krebshilfe sind 14 weitere bundesweit tätige Gesundheitsorganisationen im ABNR vertreten: Der Ärztliche Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit e. V., die Bundesärztekammer, die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V., die Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V., die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V., die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie e.V., die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention e.V., die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., die Deutsche Herzstiftung e.V., die Deutsche Krebsgesellschaft e.V., die Deutsche Lungenstiftung e. V. und das Deutsche Krebsforschungszentrum.