„Hochpräzise, sicher und besonders schonend“
Darmkrebs gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen. In Deutschland erkranken jährlich rund 60.000 Menschen neu daran. Im Frühstadium ist heute bei 90 Prozent der Patienten eine Heilung möglich. „Häufig wird Darmkrebs aber erst spät erkannt, weil er zunächst kaum Beschwerden verursacht“, sagt Univ.-Prof. Dr. Andreas Pascher, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am UKM (Universitätsklinikum Münster). Dank moderner minimal-invasiver und roboterassistierter OP-Verfahren verbessern sich die Heilungschancen nun auch bei fortgeschrittenen Krankheitsstadien deutlich. Im Interview erklären Pascher und seine Kollegen Dr. Jens Peter Hölzen vom Robotik-Zentrum, Prof. Dr. Emile Rijcken und Priv.-Doz. Dr. Peter Che Ambe vom UKM-Darmzentrum, wie die Roboter die Chirurgen bei Darmkrebs-OPs unterstützen.
Wie funktionieren die roboterassistierten OP-Verfahren?
Dr. Hölzen: Wir, also die Chirurgen, arbeiten dabei mit einem vierarmigen OP-Roboter. Dieser arbeitet nicht selbständig, sondern fungiert als eine Art Helfer oder Übermittler. Ein erfahrener Chirurg steuert alle Bewegungen der vier Instrumentenarme über eine Konsole. Zudem befindet sich bei jedem Eingriff ein zweiter Chirurg am OP-Tisch, der den Operateur bei seiner Arbeit an der Konsole direkt am Patienten unterstützt. Das Verfahren ist minimal-invasiv, das heißt, es sind nur wenige sehr kleine Schnitte nötig. OP-Roboter als Assistenten… das klingt vielleicht etwas nach Zukunftsmusik. Tatsächlich kommen sie am UKM aber bereits seit 2014 regelmäßig zum Einsatz – anfänglich vor allem in der Urologie. Inzwischen nutzen wir die Technologie in unserem Robotik-Zentrum auch in vielen anderen Bereichen wie zum Beispiel bei der Entfernung von Tumoren des Enddarmes, der Speiseröhre, der Bauchspeicheldrüse und der Leber.
Wie sieht die Unterstützung durch den Roboter genau aus?
Prof. Rijcken: Die vier Roboterarme sind sehr flexibel, da sie sich in sieben verschiedenen Freiheitsgraden bewegen lassen. Zum Vergleich: Bei der menschlichen Hand sind es fünf. Sie lassen sich durch den Chirurgen zitterfrei und exakt steuern. Zudem ermöglicht der Einsatz der Technologien dem Operateur optimale Sichtbedingungen. Er erhält über eine Kamera an einem der Roboterarme ein vergrößertes, dreidimensionales Bild des Operationsbereichs und kann dank Lasertechnologie die Durchblutung direkt messen. Die roboterassistierte Chirurgie ist somit hochpräzise, sicher und besonders schonend. Die Vorteile für die Patienten sind unter anderem geringer Blutverlust, Nervenschonung, möglichst großer Funktionserhalt, sehr kleine Narben und deutlich weniger postoperative Schmerzen als bei den großen „offenen“ OPs.
Wann ist der Roboter als Helfer im OP sinnvoll?
Dr. Ambe: Vor allem an schwer zugänglichen und engen Stellen ist das millimetergenaue Operieren besonders wichtig – zum Beispiel bei tiefsitzenden Tumoren im Bereich des Enddarms. Hier ermöglicht die neue Technik, feine Strukturen wie die Nervenbahnen im kleinen Becken gut zu erkennen und zu schonen. Das ist entscheidend für den späteren Funktionserhalt, denn Verletzungen dieser sensiblen Strukturen können zum Kontinenz- oder Potenzverlust führen. Studien zeigen auch Vorteile bei bestimmten Patientengruppen – zum Beispiel bei starkem Übergewicht oder Männern mit einem engen Becken. Insgesamt können wir auch schwierige und komplexe Eingriffe dank der neuen Technologien immer häufiger minimal-invasiv durchführen, die man sonst „offen“ gemacht hätte.
Welche weiteren Entwicklungen sind zu erwarten?
Prof. Pascher: Die Zukunft der Chirurgie ist eng mit den neuen Technologien verknüpft und computerbasiert. Wir Chirurgen setzen unser Handwerk sozusagen unter Zuhilfenahme von Hochtechnologien um. Es geht darum, menschliche und technische Stärken zu verbinden, um optimale Ergebnisse in der Tumorchirurgie zu erzielen und gleichzeitig die Lebensqualität der Patienten zu steigern.