Mehrfach ungesättigte Fettsäuren lösen Morbus Crohn ähnliche Darmentzündung aus
· Westliche Ernährung im Fokus der Ursachenforschung
· Anti-oxidatives Enzym GPX4 kontrolliert Darmentzündung, die durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren ausgelöst wird
· Weitere Untersuchungen für Rückschlüsse im Menschen notwendig
Die Inzidenz chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Neben genetischen Komponenten wird der westlichen Ernährung eine zentrale ursächliche Rolle zugeschrieben. Welche Bestandteile aus der komplexen Zusammensetzung der Nahrung die treibende Kraft sind, haben Innsbrucker ForscherInnen untersucht. Nun liegen erste, überraschende Ergebnisse vor, die zeigen, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren in einer westlichen Diät eine Entzündungsreaktion im Darm auslösen können. Das Fachjournal Nature Communications berichtet.
Innsbruck, 14. April 2020: Menschen mit Morbus Crohn – rund 27.000 davon leben in Österreich – leiden aufgrund von Entzündungen der Darmschleimhaut an Symptomen wie krampfartigen Bauchschmerzen, chronischem Durchfall, Gewichtsverlust, sowie Fistel- und Abszessbildungen. Die chronische, oft fortschreitende Erkrankung kann symptomatisch behandelt, bislang aber nicht geheilt werden. Zwar gibt es ca. 300 identifizierte genetische Varianten, welche das Risiko für die Entwicklung einer CED beeinflussen, trotzdem kann die Genetik nur einen geringen Teil der Erkrankungen erklären.
„Migrationsstudien haben offengelegt, dass die westliche Ernährung einen zentralen Platz bei der Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen einnimmt. So hat sich etwa die niedrige CED-Rate von Japanern, die vor rund 20 Jahren in die USA auswanderten, bereits nach einigen Jahren der nordamerikanischen Bevölkerung angepasst.“, weiß Herbert Tilg, ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Darmerkrankungen und Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin I an der Medizin Uni Innsbruck. Welche einzelnen Bestandteile in einer westlichen Diät jedoch krank machen ist bislang ungeklärt.
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren lösen Entzündung im Darm aus
Die komplexe Zusammensetzung der Ernährung erweist sich für die Ursachenforschung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen als große Herausforderung. Ein Team um Lisa Mayr, Felix Grabherr und Timon Adolph forscht am Department für Innere Medizin I an Entzündungsprozessen im Darm. „Auf der Suche nach entzündlichen Nahrungsbestandteilen haben wie einen neuen Ansatz verfolgt: Wir haben für unsere Untersuchungen im Labor eine Diät zusammengestellt, die der Zusammensetzung einer westlichen Ernährungsweise entspricht. Dabei wurden nicht nur gesättigte Fettsäuren, sondern auch mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die gehäuft in Fleisch, verschiedenen Ölen und Eiern vorkommen, in einer Diät angereichert und Labormäusen über drei Monate gefüttert“, so Adolph. In ihrer Forschungsarbeit, die soeben in Nature Communications veröffentlicht wurde, konnten die Wissenschaftler zeigen, dass insbesondere mehrfach ungesättigte Fettsäuren eine Entzündungsreaktion im Darm hervorrufen, welche dem Bild eines Morbus Crohn beim Menschen ähnelt. Die Entzündungssignale werden von Darmepithelzellen, der Darm-Barriere, gebildet, und durch ein anti-oxidatives Enzym namens Glutathione Peroxidase 4 (GPX4) kontrolliert. GPX4, dessen Aktivität durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren gehemmt wird, schützt Darmepithelzellen vor oxidativem Stress an Membranlipiden und verhindert so das Auslösen einer Entzündungsantwort.
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren werden teilweise in Lebensmitteln angereichert oder als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen. Dem Nachweis, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren Auslöser einer Darmentzündung sind, kommt deshalb besondere Brisanz zu. „Eine Übersetzung dieser Erkenntnisse für den Menschen muss noch erfolgen, um Rückschlüsse für CED Patienten ziehen zu können“, betont Timon Adolph, der mit seinem Team weiter an der Aufklärung dieser Entzündungsmechanismen forschen wird.
Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.000 MitarbeiterInnen und ca. 3.300 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.