Internationale Studie macht Stammzelltransplantationen sicherer

Lebensgefährliche Komplikationen nach einer Stammzelltransplantation lassen sich mit einer neuen Therapie wesentlich wirksamer vermeiden als bisher / Zulassung bereits in den USA erfolgt und für Europa erwartet / Studie im New England Journal of Medicine

Bei Blutkrebs und schweren Immundefekten ist eine Transplantation von Blutstammzellen gesunder Spender*innen oft die letzte Behandlungschance. Doch bei etwa jede*r vierten Patient*in kommt es zu einer bislang nicht kontrollierbaren lebensgefährlichen Immunreaktion, bei der Spender-Immunzellen das Gewebe der Empfänger*innen angreifen. Fachleute sprechen von einer Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion oder Graft-versus-Host-Disease (GVHD). Nun zeigen Forscher des Universitätsklinikums Freiburg und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein gemeinsam in einer internationalen Studie, dass eine neue medikamentöse Therapie mit dem Wirkstoff Ruxolitinib diese Immunreaktion häufig verhindern kann. Die klinische Phase-III-Studie mit 309 Patient*innen wurde am 22. April 2020 im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

„Diese Therapie kann Stammzelltransplantationen deutlich sicherer machen. Wir hoffen deshalb sehr, dass sie schon bald in der Europäischen Union zugelassen wird“, sagt Prof. Dr. Robert Zeiser,  Leiter der Abteilung für Tumorimmunologie und Immunregulation der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Freiburg. Er hat gemeinsam mit Prof. Dr. Nikolas von Bubnoff, Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein – Campus Lübeck, die Studie mit 105 Studienzentren in 22 Ländern koordiniert und geleitet. GVHD führt unkontrolliert zu Gewebeschäden von Darm, Haut und Leber. In einem Fünftel der Fälle führt die Entzündungsreaktion zum Tod der Patient*innen durch Infektion oder gravierende Organschäden. „Die Zulassung von Ruxolitinib in den USA ist die erste Zulassung eines Medikaments zur Behandlung der Kortison refraktären Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion weltweit“, sagt von Bubnoff.

Therapieerfolg deutlich höher als bisher

Die in der REACH2-Studie behandelten Patient*innen hatten alle nach einer Stammzelltransplantation eine Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion entwickelt, die sich mit Kortisonpräparaten nicht stoppen ließ und akut lebensbedrohlich wurde. Die Hälfte der Betroffenen erhielt Ruxolitinib, die andere Hälfte die bisherige Standardtherapie. Nach 28 Tagen Therapie zeigten 62 Prozent der Patient*innen unter der neuen Therapie einen vollständigen oder teilweisen Rückgang der GVHD. Unter der Standardtherapie waren es 39 Prozent. Nach rund zwei Monaten war die Kontrolle der Immunreaktion unter Ruxolitinib mit fast 40 Prozent sogar fast doppelt so hoch wie unter der Standardtherapie mit 22 Prozent. „Die Behandlung mit Ruxolitinib führt damit zu einem dauerhaften Behandlungserfolg“, freut sich Zeiser.

Forschung von der Petrischale bis zu den Patient*innen

In vorangegangen Arbeiten konnten die Forschungsgruppen um Zeiser und von Bubnoff zunächst in Zell- und Tierstudien zeigen, dass Ruxolitinib die Aktivierung und gegenseitige Verstärkung der transplantierten Immunzellen bremst. Diese Vorarbeiten waren die Basis für die spätere Anwendung beim Menschen. Die jetzige Phase-III-Studie REACH2 dürfte eine wesentliche Rolle bei der Zulassung auch in Europa spielen. „Die Studienergebnisse bestätigen unsere jahrelange Arbeit zur GVHD und liefern eine wichtige Grundlage für die Zulassung“, sagt von Bubnoff. Die REACH2-Studie wurde von Novartis Pharma durchgeführt.

Grafik: Nach rund zwei Monaten sprachen rund 40 Prozent der Patient*innen auf die neue Therapie an. Bei der bisherigen Therapie waren es nur etwa 20 Prozent.
Bild: Prof. Dr. Robert Zeiser, Prof. Dr. Nikolas von Bubnoff
Bildquelle: DKFZ/Uwe Anspach

Original-Titel der Studie: Ruxolitinib for Glucocorticoid-Refractory Acute Graft-versus-Host Disease.
DOI: 10.1056/NEJMoa1917635
Link zur Studie: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1917635