Lungenembolien: eine primäre Todesursache bei COVID-19?
In einer Studie des Universitätsspitals Zürich mit 338 Patienten einer Mailänder Universitätsklinik konnte gezeigt werden, dass bei vielen COVID-19-Patienten Lungenembolien auftreten. COVID-19 führt zu einem messbar starken Anstieg von Faktoren der Blutgerinnung, Blutgerinnsel sind die Folge. Eine Blutverdünnung bei ambulanten COVID Patienten könnte deshalb Leben retten. Eine grosse Schweizer Studie soll dazu Klarheit schaffen.
Untersucht wurden 338 symptomatische, COVID-19 positiv getestete Patientinnen und Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 66 Jahren, die von Mitte Februar bis Mitte April in eine Universitätsklinik in Mailand eingewiesen wurden. Kumulativ wurden bei 21% von ihnen Blutgerinnsel nachgewiesen, die Hälfte davon wurde innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Krankenhauseinweisung diagnostiziert. Man muss deshalb davon ausgehen, dass viele Patienten diese Blutgerinnsel bereits vor dem Spitalaufenthalt erlitten haben. Bei genauerer Untersuchung zeigte sich, dass die Lungenembolie die weitaus häufigste Form von Blutgerinnseln war. Eine solche konnte bei jedem dritten der diesbezüglich untersuchten Patienten nachgewiesen werden.
Schwere Lungenembolien, d.h. mit Blutgerinnseln verstopfte Lungengefässe, können unbehandelt infolge Herzversagen rasch zum Tode führen.
Gezielte Blutverdünnung könnte Leben retten
Angesicht der vielen Blutgerinnsel, die in der Mailänder Studie innerhalb von 24 Stunden diagnostiziert wurden – und dies bei einer kleinen Anzahl untersuchter Personen – muss jedoch mit einer deutlich grösseren Menge Menschen gerechnet werden, welche eine schwere Lungenembolie als Folge von COVID-19 erleiden. Denn die meisten COVID-19-Patienten bleiben während ihrer Erkrankung in häuslicher Quarantäne. «Erleiden diese Menschen dann zu Hause eine Lungenembolie, schaffen sie es womöglich jedoch nicht mehr bis ins Spital», erklärt Prof. Nils Kucher, Direktor der Klinik für Angiologie am Universitätsspital Zürich. «Mit einer gezielten Blutverdünnung könnten wir deshalb möglicherweise viele Todesfälle verhindern».
Nils Kucher vermutet auch, dass bis zu 70 Prozent der bisher 1393 Todesfälle bei COVID-19-Patienten in Quarantäne zu Hause oder in Alters- und Pflegeheimen aufgetreten sein könnten und begründet diesen Verdacht darauf, dass bisher lediglich 206 COVID-19 Todesfälle in den fünf grossen Unispitäler zu verzeichnen waren (Stand 20.4.2020).
Ein Team um Prof. Nils Kucher und Dr. Stefano Barco will deshalb nun in einer Studie der Frage nachgehen, ob eine gezielte Thrombose-Prophylaxe bei ambulanten COVID-19-Patienten die Anzahl von Komplikationen bis hin zum Tod verringern kann. Die Studie ist aktuell bei der kantonalen Ethik-Kommission in Prüfung und soll ca. Ende April starten.