Fehlende Komponente der Immunsignalisierung entdeckt

Forscher/innen der ÖAW haben ein Protein entdeckt, das in der Signalkette des angeborenen Immunsystems unerlässlich ist, um Art und den Schweregrad einer Bedrohung einzuschätzen, die ein Krankheitserreger darstellt. Darüber und über die damit verbundene Bedeutung für Autoimmunerkrankungen berichtet das Team in der Fachzeitschrift „Nature“.

Das Immunsystem ist das natürliche Abwehrsystem des Körpers, in dem – je nach Bedrohung – eine unspezifische, angeborene Komponente aktiv wird, oder eine, die auf konkreten Erfahrungen mit Krankheitserregern beruht. Beide Systeme sind eng miteinander verzahnt. Mit dem angeborenen Immunsystem haben sich  Forscher/innen aus der Gruppe um Giulio Superti-Furga, Wissenschaftlicher Direktor am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), eingehend befasst und nun einen wichtigen neuen Beitrag zu dessen Verständnis geleistet. Sie konnten ein Protein charakterisieren, das in die überaus komplexe Signalkette hin zu einer angepassten Immunantwort eingebaut ist und dessen Fehlfunktion mit der Autoimmunerkrankung Lupus in Zusammenhang gebracht werden kann. Diese Arbeit wurden im Fachjournal „Nature“ publiziert.

Eine der Herausforderungen für das angeborene Immunsystem ist es, die Art und die Schwere einer Bedrohung richtig einschätzen zu können. Denn bei dieser Art der Immunantwort werden eigene Zellen zusammen mit den Pathogenen zerstört und Entzündungsreaktionen dabei in Kauf genommen. Darüber hinaus kann eine fehlgeleitete Immunantwort dieses Systems zu gravierenden Autoimmunerkrankungen führen. Die Grundzüge der angeborenen Immunität sind seit Langem bekannt, die Komponenten der Wahrnehmung und Signalweitergabe werden aber in ihrer Komplexität erst allmählich verständlich.

Schlüsselprotein für Immunantwort identifiziert

Die ÖAW-Forscher/innen haben in Kooperation mit Boehringer Ingelheim in Ridgefield (USA) herausgefunden, was in Endolysosomen, Kompartimenten der Zelle, die für die Abwehr wichtig sind, auf molekularer Ebene passiert. Rezeptoren (TLRs), die molekulare Muster von Krankheitserregern erkennen, arbeiten hier eng mit Transmembranproteinen wie SLC15A4 zusammen. Die Wissenschaftler/innen haben nun alle Kontakte und Wechselwirkungen dieser Transportmembranproteine analysiert und sind dabei auf ein noch kaum verstandenes Protein – TASL genannt – gestoßen. TASL wird durch das Gen CXorf21 codiert.

Und an diesem Punkt verdichteten sich für die Forscher/innen die Indizien, dass sie molekularen Grundlagen einer Autoimmunerkrankung auf der Spur sein könnten. Dieses Gen wurde bereits früher mit dem Systemischen Lupus in Verbindung gebracht. Ebenso wurden Fehler der Signalweiterleitung aus den Endolysosomen für Prozesse der Autoimmunreaktion verantwortlich gemacht , bei der das Transmembranprotein SLC15A4 involviert ist.

Das Team um Leonhard X. Heinz aus Superti-Furgas Forschungsgruppe konnte TASL jener  molekularen Plattform zuordnen, die in den Mustererkennungprozess der Pathogene in der TLR-Maschinerie eingebunden ist. TASL induziert darüber hinaus die Bildung eines immunstimulierenden Transkriptionsfaktors, dessen Aufgabe es ist, das Ablesen benötigter Gene im Zellkern zu starten. „TASL ist somit neben drei bereits bekannten ein weiterer Schlüssel-Adapter, dessen Vorhandensein für die Genaktivierung im Hinblick auf die Bildung immunstimulierenden Interferons entscheidend ist“, so Manuele Rebsamen, Senior Postdoctoral Fellow am CeMM der ÖAW und Projektleiter der Studie.

Schritt zu Medikamenten für Autoimmunerkrankungen

Die Entdeckung zeigt auch ein potentielles neues Ziel für die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen und möglicherweise auch der Überreaktion auf virale und andere Infektionen auf. „Es war uns klar, dass SLC15A4 in der endosomalen TLR-Funktion eine Schlüsselrolle spielt und am Erkrankungsgeschehen beteiligt ist, aber der zugrunde liegende Mechanismus wurde uns erst durch diese Studie klar. Das sind genau die spannenden wissenschaftlichen Fragen, mit denen wir uns an unserem Institut gerne beschäftigen“, erklärt Giulio Superti-Furga.

Publikation:

„TASL is the SLC15A4-associated adaptor for IRF5 activation by TLR7–9“, Leonhard X. Heinz et al., Nature, 2020
DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-020-2282-0