Allergische Immunantwort hilft bei Bakterieninfektionen
Das Zusammenspiel von IgE-Antikörpern und Mastzellen, das allergische Reaktionen hervorruft, kann auch eine positive Wirkung für die Gesundheit entfalten. Es schützt bei Infektionen mit Staphylococcus aureus, einem der gefürchtetsten Krankenhauskeime. Das zeigt eine internationale Studie mit Beteiligung von Molekularmediziner/innen der ÖAW.
Juckreiz, Niesen oder Durchfall: Allergische Reaktionen wie diese hängen meist mit einer Freisetzung von Histamin, Proteasen oder Zytokinen aus Zellen der angeborenen Immunabwehr zusammen. Aktiviert werden die als „Mastzellen“ bezeichneten chemischen Keulen durch Komponenten der spezifischen Immunabwehr: durch IgE-Antikörper. Einmal auf gewisse Allergene sensibilisiert, rufen IgE-Antikörper bei jedem neuen Kontakt die Mastzellen auf den Plan. Über Vermittlung des IgE-Rezeptors FcεRI – das gesamte System könnte man als „Allergiemodul“ bezeichnen – kommt es zur raschen Freisetzung von Histamin & Co aus den Mastzellen. Was aber könnte der evolutionäre Hintergrund dieses eingespielten Systems sein?
Positive Seiten des „Allergiemoduls“
Eine gemeinsame Studie des CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Medizinischen Universität Wien und der Stanford University School of Medicine kommt der Antwort auf diese Frage einen Schritt näher. Die Forscher/innen haben herausgefunden, dass der IgE-Effektormechanismus zusammen mit Mastzellen die Widerstandskraft des Körpers gegen sekundäre bakterielle Infektion erhöhen kann. Diesen positiven Aspekt des Allergiemoduls im Kontakt mit Bakteriengift publizierten sie nun im Fachjournal Immunity.
Seit langem wurde vermutet, dass das Zusammenspiel von IgE und Mastzellen nicht nur eine für den Körper belastende Rolle im Falle einer Allergie spielt. Frühere Studien haben bereits die Bedeutung von Mastzellen für die angeborene Resistenz gegen das Gift bestimmter Schlangen und der Honigbiene beschrieben. Auf diesen baut die aktuelle Arbeit auf: Das Forschungsteam hat untersucht, ob Mastzellen und IgE-Antikörper auch bei der Abwehr anderer Toxin produzierender Organismen, insbesondere pathogener Bakterien, relevant sein könnten.
Wegen seiner enormen klinischen Relevanz und seines breiten Repertoires an Toxinen wählten die Autor/innen der Studie das antibiotikaresistente Bakterium Staphylococcus aureus als Erregermodell. Für ihre Forschung verwendeten die Wissenschaftler/innen verschiedene S. aureus-Mausinfektionsmodelle in Kombination mit genetischen Ansätzen und In-vitro-Mastzellmodellen, um die Funktionen ausgewählter Komponenten der IgE-Effektormechanismen zu entschlüsseln.
Erfolgreiche Abwehr bakterieller Infektionen
Mäuse, die milde Infektionen der Haut mit S. aureus durchmachten, entwickelten spezifische IgE-Antikörper gegen bakterielle Komponenten. Diese Immunantwort verlieh den Mäusen in der Folge eine erhöhte Resistenz gegenüber schweren sekundären Lungen- oder Haut- und Gewebeinfektionen. Mäusen, denen der IgE-Effektormechanismus oder Mastzellen fehlten, konnten den notwendigen Schutz für schwere sekundäre Infektionen nicht aufbauen.
Diese Erkenntnisse legen nahe, dass das – heute oftmals nur im allergischen Zusammenhang bekannte – Zusammenwirken des IgE-Effektormechanismus mit Mastzellen nicht ausschließlich pathologisch, sondern auch heilsam sein kann. Die Abwehr von Toxin produzierenden pathogenen Bakterien könnte daher eine wichtige biologische Funktion des „Allergiemoduls“ sein. Aus einer evolutionären Perspektive betrachtet, könnte diese Funktion der Grund dafür sein, warum sich das immunologische Zusammenspiel erhalten hat, obwohl es im Falle besonderer Sensibilität anderen Fremdstoffen gegenüber massive Reaktionen – bis hin zum anaphylaktischen Schock – auslösen kann.
AUF EINEN BLICK
Publikation:
„IgE Effector Mechanisms, in Concert with Mast Cells, Contribute to Acquired Host Defense against Staphylococcus aureus“, Philipp Starkl, Martin L. Watzenboeck, Lauren M. Popov, Sophie Zahalka, Anastasiya Hladik, Karin Lakovits, Mariem Radhouani, Arvand Haschemi, Thomas Marichal, Laurent L. Reber, Nicolas Gaudenzio, Riccardo Sibilano, Lukas Stulik, Frédéric Fontaine, André C. Mueller, Manuel R. Amieva, Stephen J. Galli, Sylvia Knapp, Immunity, 2020
DOI: 10.1016/j.immuni.2020.08.002