Neue Wege in der Krebstherapie
Behandlungsoptionen durch Forschung stetig verbessern: WWU und UKM erproben in der „Early Clinical Trial Unit“ innovative Therapieansätze. Gerade für Krebspatienten können frühe klinische Studien eine wichtige Alternative zur Standardtherapie sein.
Die Heilungschancen bei Krebs haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Aber was ist, wenn die bewährten Therapien wie bei Andreas Bunte nicht greifen? Vor zwei Jahren wurde bei dem heute 51-Jährigen ein Weichteiltumor, ein sogenanntes Liposarkom, im Bauchraum diagnostiziert. Operation, Chemo- und Strahlentherapie führten nur vorübergehend zum Erfolg. Zudem machten ihm die Nebenwirkungen schwer zu schaffen: „Ich habe stark an Gewicht verloren und hatte überhaupt keine Kraft mehr“, blickt Bunte zurück. Daher zögerte er nicht lange, als die Spezialisten im UKM (Universitätsklinikum Münster) ihm jetzt die Teilnahme an einer Studie in der „Early Clinical Trial Unit“ (ECTU) anboten. „Mir war sofort klar, dass ich da mitmache“, sagt Bunte. „So viele Strohhalme habe ich nicht mehr!“
„Beim Sarkom gibt es im Gegensatz zu einigen anderen Krebserkrankungen bisher nur sehr wenige zugelassene Substanzen, die zielgerichtet wirken“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Torsten Keßler, Leiter des UKM-Sarkomzentrums. Nach der „klassischen“ Chemo mangele es daher für Patienten wie Andreas Bunte an Alternativen, so der Onkologe. „Durch die Teilnahme an der Studie können wir ihm jetzt aber wieder eine vielversprechende Behandlungsoption bieten.“ Zusätzlich zur Chemotherapie steht nun der neue Wirkstoff L19-TNF auf Buntes Therapieplan. „Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Antikörper-Zytokin-Fusionsprotein“, sagt Prof. Christoph Schliemann, der die ECTU gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Luisa Klotz aus der Klinik für Neurologie leitet. Der Wirkstoff setzt sich aus zwei Untereinheiten zusammen. Der Antikörperteil L19 erkennt Tumorblutgefäße, haftet sich an diese und fungiert als eine Art Transporter für das angehängte TNF-Protein. „TNF ist ein Botenstoff des Immunsystems und lockt spezielle Abwehrzellen – häufig auch Killerzellen genannt – an, damit sie das bösartige Gewebe angreifen und abtöten“, erklärt Schliemann die zweifache Wirkungsweise. Zum einen werde die körpereigene Abwehr aktiviert und zum anderen der Tumor von der Blutversorgung abgeschnitten und so quasi ausgehungert. Dabei werde das umliegende gesunde Gewebe geschont, um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten.
„Ich hatte nur vorübergehend etwas Schüttelfrost. Jetzt fühle ich mich wieder gut“, ist Andreas Bunte erleichtert. „Schüttelfrost ist in diesem Fall ein gutes Zeichen“, sagt Keßler. „Das zeigt, dass sich was tut!“ Alle drei Wochen erhält Bunte nun den neuen Wirkstoff in Kombination mit der Chemotherapie. Die Behandlungserfolge werden in regelmäßigen Abständen in der ECTU überprüft.
Die „Early Clinical Trial Unit“ wurde von der Medizinischen Fakultät der Universität Münster und dem UKM ins Leben gerufen, um am Standort klinische Studien der Stadien I und II durchführen zu können. „Der Therapieverlauf kann hier – personell und auch im Hinblick auf die technische Ausstattung – besonders intensiv überwacht werden“, sagt Schliemann. Geleitet wird die ECTU von der Medizinischen Klinik A für Hämatologie, Onkologie und Pneumologie (Direktor: Prof. Georg Lenz) und der Klinik für Neurologie (Direktor: Prof. Heinz Wiendl), sie steht jedoch allen Abteilungen des UKM offen. „Gerade für Patienten mit fortgeschrittenen Erkrankungen ist es besonders wichtig, zusätzliche Optionen zu den bisherigen Standards zu entwickeln“, sind sich Schliemann und Keßler einig. „Ziel ist es, unseren Patienten den Zugang zu den neuesten Medikamenten und Behandlungsansätzen zu ermöglichen, um ihre therapeutischen Möglichkeiten deutlich zu verbessern.“