Pandemie-Einfluss auf Lebensqualität und Psyche: MS-Patienten sind besonders betroffen

Original Titel:
The Psychological Impact of COVID-19 Pandemic on People With Multiple Sclerosis

Kurz & fundiert

  • Psychische Effekte des Lockdowns: Vergleich von MS-Patienten und ihren gesunden Mitbewohnern
  • Pandemie-Einfluss auf Lebensqualität, Beruf und Alltag, Stimmung, Fatigue und Schlaf
  • 20 % der MS-Patienten mit neuen oder verschlechterten Symptomen im Lockdown

 

MedWiss – Die Coronavirus-Pandemie bringt spezielle Stresssituationen wie Lockdown oder Quarantäne mit sich und führt bei allen Menschen weltweit zu verschiedensten neuen Sorgen. Mittels Online-Befragung wurde nun untersucht, wie sich dies auf die Psyche bei einer neurologischen Erkrankung wie der Multiplen Sklerose (MS) auswirkt. 60 MS-Patienten und 50 gesunde Kontrollen berichteten zu Lebensqualität, ihrer beruflichen Situation und Alltagsroutine sowie zu Stimmung, Fatigue und Schlafqualität. MS-Patienten litten häufiger unter depressiven Symptomen und waren stärker neurovegetativ betroffen. Die aktuell besonderen Herausforderungen an die psychologische Resilienz betreffen somit gerade auch neurologisch Erkrankte deutlich.


Das neue Coronavirus und die dadurch ausgelöste Erkrankung COVID-19 haben die Welt innerhalb von Wochen radikal verändert. Italien war eines der früh und besonders schwer betroffenen Länder mit mehr als 30 000 Todesfällen bisher. Maßnahmen wie Quarantäne oder nationale Lockdowns sind notwendig, um die Verbreitung der Erkrankung einzuschränken. Dabei ist es wenig überraschend, dass die Einschränkung der Freiheiten auch manche negativen Folgen für die Psyche der Menschen hat. Dies betrifft auch Menschen mit chronischen Erkrankungen, beispielsweise mit neurologischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose (MS). Menschen mit MS haben eine größere Belastung mit neuropsychiatrischen Komorbiditäten als gesunde Menschen. Es wurde auch gezeigt, dass in diesem Fall auch maladaptive Coping-Strategien unter Stress angewandt werden können. Ziel der vorliegenden Studie war nun, den Einfluss des COVID-19-Lockdowns, als vermuteter Stress-Situation, auf die psychische Gesundheit einer italienischen Kohorte von Menschen mit MS im Vergleich zu gesunden Kontrollen zu untersuchen.

Psychische Effekte des Lockdowns: Vergleich von MS-Patienten und ihren gesunden Mitbewohnern

Insgesamt 60 MS-Patienten und 50 gesunde Kontrollen, die unter Mitbewohnern der Patienten ausgesucht wurden, wurden gebeten, an einer Online-Befragung teilzunehmen. Diese Befragung fokussierte auf den Einfluss der Pandemie auf die Lebensqualität der Patienten, die berufliche Situation und die Alltagsroutine. Stimmung, Fatigue und Schlafqualität wurden mittels klassischer Fragebögen (Beck Depression Inventory II BDI-II, Generalized Anxiety Disease 7 GAD-7, Fatigue Severity Scale FSS und dem Pittsburgh Sleep Quality Index PSQI) ermittelt.

Pandemie-Einfluss auf Lebensqualität, Beruf und Alltag, Stimmung, Fatigue und Schlaf

Insgesamt fanden sich bei den Patienten höhere Skalenwerte bei BDI, FSS und PSQI (p < 0,05). In den Untereinheiten der Skalen zeigte sich besonders im BDI eine statistisch signifikante Differenz in den neurovegetativen Aspekten – also Schlaf, Appetit, Sex und Schlafqualität (p < 0,05). 1 von 5 Patienten berichtete neue Symptome oder eine Verschlechterung bereits bekannter Symptome. Dazu zählten besonders sensorische Störungen und Fatigue. Allerdings waren keine dieser Symptome schwer genug, um einen Krankenhausaufenthalt erforderlich zu machen. Beim Blick auf Korrelationen zwischen verschiedenen Faktoren zeigte sich eine signifikante Beziehung zwischen Arbeitslosigkeit und dem Gesamtscore in BDI, GAD-7 und PSQI in der MS-Gruppe. Das Vorhandensein neuer Symptome oder eine Symptomverschlechterung stand in positivem Zusammenhang mit Fatigue (FSS) und Schlafqualität (PSQI).

20 % der MS-Patienten mit neuen oder verschlechterten Symptomen in der Pandemie

Somit zeigte sich ein deutlicher Einfluss der Pandemie mit den speziellen Stresssituationen wie Lockdown oder Quarantäne und verschiedensten neuen Sorgen auf die Gesundheit der Menschen mit MS in Italien. Im Vergleich mit gesunden Kontrollpersonen litten MS-Patienten stärker unter depressiven Symptomen, hatten eine schlechtere Schlafqualität und verspürten eine Zunahme der besonders stark einschränkenden Fatigue-Symptomatik. Die Pandemie stellt somit ganz besondere Herausforderungen an die psychologische Resilienz. Weitere Studien sollten darauf abzielen, die langfristigen Konsequenzen der Pandemie auf die psychische Gesundheit speziell auch bei chronisch Erkrankten besser zu verstehen.

[DOI: 10.3389/fneur.2020.580507]

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