„Risikoadjustierte Inzidenz“ als alternativer Frühindikator für die Belastung des Gesundheitswesens

Die 7-Tage-Inzidenz ist als Entscheidungsgrundlage für ein adäquates Management der Corona-Pandemie zunehmend ungeeignet. Doch auch die Hospitalisierungsinzidenz ist keine geeignete Alternative, da sie nicht als Frühwarnsystem dienen kann. Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung schlägt daher in einem Positionspapier eine risikoadjustierte Inzidenz vor. Sie prognostiziert auf Basis einer einfachen Methode relativ genau die zu erwartende Krankenhausauslastung.

Das Wichtigste in Kürze:

– Eine hohe Impfquote unter den vulnerablen, älteren Bevölkerungsgruppen hat die Bedeutung der 7-Tage-Inzidenz für das Gesundheitswesen stark verändert. Der Bundesgesundheitsminister schlug deshalb im Sommer vor, künftig die sogenannte Hospitalisierungsinzidenz zum wesentlichen Maßstab für künftige Maßnahmen zu machen.
– Die Hospitalisierungsinzidenz bildet die aktuelle Auslastung der Kliniken ab und taugt somit nicht als Frühwarnsystem für den Winter. Zudem wird nicht jede Krankenhauseinweisung umgehend gemeldet. Die Abweichung zwischen der ausgewiesenen und der tatsächlichen Hospitalisierungsinzidenz – mit Nachmeldungen – betrug in den vergangenen Monaten nach RWI-Berechnungen rund 48 Prozent.
– Als unkomplizierte und zugleich aussagekräftigere Alternative schlägt das RWI in einem Positionspapier die Berechnung einer risikoadjustierten Inzidenz vor. Dafür werden für jedes Meldedatum die altersspezifischen Inzidenzen mit der Wahrscheinlichkeit einer Krankenhauseinweisung in der jeweiligen Altersgruppe gewichtet.
– Eine risikoadjustierte Inzidenz ermöglicht eine zeitnahe Einschätzung des aktuellen Pandemiegeschehens im Hinblick auf Risiken für das Gesundheitssystem. Sie geht in der Aussagekraft deutlich über die 7-Tage-Inzidenz hinaus und eignet sich im Gegensatz zur – Die Abweichung zwischen der auf Basis der risikoadjustierten Inzidenz prognostizierten und der tatsächlichen Hospitalisierungsinzidenz beträgt seit April 2021 im Durchschnitt lediglich acht Prozent. Die Adjustierung kann durch die Berücksichtigung weiterer Merkmale wie Geschlecht oder Impfstatus verfeinert werden und lässt sich auch regional berechnen.

„Weder die 7-Tage-Inzidenz noch die Hospitalisierungsinzidenz eignen sich als Instrumente für das Pandemiemanagement im anstehenden Winter“, sagt RWI-Gesundheitsökonom Boris Augurzky. „Es braucht einen Indikator mit hoher Prognosefähigkeit, der zugleich gut kommunizierbar ist. Ein einfacher und zugleich relativ zuverlässiger Indikator bietet zum Beispiel die von uns vorgeschlagene risikoadjustierte Inzidenz.“

Originalpublikation:

https://www.rwi-essen.de/publikationen/rwi-positionen/525/
RWI-Position #80 „7-Tage- oder Hospitalisierungsinzidenz? – Die „risikoadjustierte Inzidenz“ als alternativer Frühindikator“ von Boris Augurzky, Martin Fischer und Christoph M. Schmidt