Bauchspeicheldrüsenkrebs genauer verstehen
Forschende der Universitätsmedizin Göttingen entdecken neuen Therapieansatz bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Deutsche Krebshilfe förderte Projekt mit rund 556.000 Euro. Die Ergebnisse wurden in den Fachmagazinen Nature Cancer und Cancer Discovery veröffentlicht.
(umg) Bauchspeicheldrüsenkrebs ist weiterhin eine der tödlichsten Krebsarten mit extrem schlechter Prognose. Bei mehr als einem Drittel der Patient*innen wird die Diagnose erst in fortgeschrittenen Tumorstadien gestellt. Als einzige Behandlung kommt dann eine Chemotherapie in Betracht. Doch die Mehrheit der Patient*innen ist resistent gegen bisher verfügbare Chemotherapien, die Behandlung wirkt nicht. Außerdem erschweren die vielen verschiedenen Subtypen von Bauchspeicheldrüsenkrebs die Behandlung zusätzlich. Vor allem zwei molekulare Untergruppen unterscheiden sich maßgeblich in ihrer Aggressivität: der klassische (CLA) und der basal-ähnliche (BL)-Subtyp. Dabei weist der BL-Subtyp im Vergleich zum CLA-Subtyp eine schlechtere Prognose und hohe Therapieresistenz auf.
Forscher*innen der Max-Eder-Nachwuchsgruppe in der Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben diese beiden Untergruppen des Bauchspeicheldrüsenkrebses jetzt genauer molekular charakterisiert. Ziel ihrer Untersuchungen war es, die Rolle von Immunzellen auf das Therapieansprechen des CLA- und des BL-Subtyps des Bauchspeicheldrüsenkrebses besser zu verstehen. Bekannt durch klinische Studien ist bisher, dass sogenannte stromale Immunkomponenten in diesen beiden Subtypen die unterschiedliche Prognose und das Ansprechen auf die Therapie bestimmen. Es ist allerdings immer noch umstritten, ob stromale Immunzellen in diesen Subtypen deren Aggressivität einschränken oder fördern. Die Erkenntnisse und präklinischen Untersuchungen der Göttinger Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Shiv K. Singh eröffnen nun einen vielversprechenden Ansatz für neue Strategien zur Behandlung des BL-Subtyps des Bauchspeicheldrüsenkrebses. Die Forschungen wurden gefördert durch die Deutsche Krebshilfe. Die Ergebnisse wurden im November 2021 in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Cancer“ und im Januar 2022 in „Cancer Discovery“ veröffentlicht.
Originalveröffentlichung: TNF-α-producing Macrophages Determine Subtype Identity and Prognosis via AP1 Enhancer Reprogramming in Pancreatic Cancer.Mengyu Tu, Lukas Klein, Elisa Espinet, Theodoros Georgomanolis, Florian Wegwitz, Xiaojuan Li, Laura Urbach, Adi Danieli-Mackay, Stefan Küffer, Kamil Bojarczuk, Athanasia Mizi, Ufuk Günesdogan, Björn Chapuy, Zuguang Gu, Albrecht Neesse, Uday Kishore, Philipp Ströbel, Elisabeth Hessmann, Stephan A. Hahn, Andreas Trumpp, Argyris Papantonis, Volker Ellenrieder and Shiv K. Singh. Nature CancerNovember 2021 2 (11):5540-5554.doi: 10.1038/s43018-021-00258-w.
ZUR STUDIE
Die Göttinger Forscher*innen haben untersucht, wie die beiden wichtigsten Subtypen des Bauchspeicheldrüsenkrebses (CLA und BL) mit ihrer Umgebung interagieren, und deren Zusammenhang zum Grad der Aggressivität und zur Therapieresistenz erforscht. Dabei konzentrierten sie sich auf die entzündliche Tumor-Immun-Mikroumgebung. Diese ist nach wie vor ein viel diskutiertes Forschungsgebiet, da sie tumorfördernde oder tumorhemmende Auswirkungen haben kann. Einerseits suchen Effektor-T-Zellen, insbesondere zytotoxische T-Zellen, unseren Körper ständig nach potenziell krebserregenden Zellen ab und töten diese. Andererseits ist bekannt, dass bestimmte tumorfördernde Makrophagen (sogenannte TAMs) diese Effektor-T-Zellen unterdrücken und den Tumor sogar mit Wachstumsfaktoren versorgen. Diese gegensätzlichen Effekte zweier wichtiger Immunzellen auf das Tumorwachstum stellen eine Herausforderung dar, die es für die Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs und seinen Subtypen weiter zu untersuchen gilt.
„Wir wollten überprüfen, ob das entzündliche Immunsystem die Identität des Subtyps beeinflusst. Dazu haben wir Sequenzierungsdaten von Patient*innen untersucht und festgestellt: Entzündliche Signalwege sind in Tumoren des BL-Subtyps angereichert. Insbesondere das Zytokin Tumornekrosefaktor-alpha (kurz: TNF-α), ein Botenstoff, der Entzündungen fördert, sowie Transkriptionsfaktoren (TFs) der AP1-Familie sind maßgeblich für diese Entzündungsreaktionen verantwortlich“, sagt Dr. Shiv K. Singh, Letzt-Autor der Publikation. „Den Zusammenhang zwischen TNF-α und dem BL-Subtyp konnten wir in präklinischen Modellen nachweisen. Die Behandlung von Zellen des CLA-Subtyps mit TNF-α förderte den Wechsel zu einem invasiven BL-Phänotyp. Dies lässt auf eine funktionelle Rolle von TNF-α bei der Entstehung des ungünstigen BL-Subtyps schließen.“
Trotz der hohen TNF-α-Konzentrationen in Tumorgeweben konnten die Forscher*innen kein TNF-α in isolierten Tumorzelllinien nachweisen, weder in Zellen des CLA-Subtyps noch in Zellen des BL-Subtyps. Die Arbeitsgruppe fand jedoch heraus, dass nicht die Tumorzellen, sondern die Immunzellen, genauer genommen Makrophagen, in der Mikroumgebung des Tumors das Zytokin TNF-α produzierten. Doch, wie ziehen speziell BL-Tumorzellen, nicht aber CLA-Tumore, diese tumorfördernden Makrophagen an? Um dies zu verstehen, nutzten die Forscher*innen modernste Sequenzierungstechnologien. Dabei fanden sie heraus: Unterschiedliche TF Komplexe sind für die Regulierung jener Gene verantwortlich, die entweder den aggressiven BL- oder den weniger aggressiven CLA-Bauchspeicheldrüsenkrebssubtypen ausmachen. Darüber hinaus konnten Dr. Singh und sein Team die pharmakologische Hemmung des BL-spezifischen TF Komplexes als vielversprechenden Behandlungsansatz identifizieren. Durch die Hemmung sogenannter BET-Proteine, die für die Funktion dieses Komplexes essenziell sind, ließen sich die entzündungsfördernden molekularen Prozesse des aggressiven BL Subtyps umkehren und hier Gene anschalten, die für den CLA-Subtyp charakteristisch sind. Durch diese Behandlungsmethode in Tumoren des BL-Subtyps konnte die Prognose in präklinischen Modellen verbessert werden.