Schlaf als Therapieansatz bei Hirnschlag

Die Schweizerische Hirnliga prämiert eine Studie zu nichtinvasiven Behandlungsmethoden bei Hirnschlägen mit dem Forschungspreis 2022.

Hirnschläge gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen bei älteren Menschen. Ein Hirnschlag kann zu schwerwiegenden Behinderungen führen und den Alltag von Betroffenen und Angehörigen dramatisch verändern. Die neunköpfige Forschungsgruppe um Prof. Dr. med. Claudio Bassetti, Klinikdirektor und Chefarzt der Universitätsklinik für Neurologie, Prof. Dr. med. Antoine Adamantidis, Direktor des Zentrums für Experimentelle Neurologie (ZEN), und Dr. Laura Facchin (ZEN) forschte an nichtinvasiven Behandlungsalternativen. Hierfür erhielten sie den Forschungspreis 2022 der Schweizerischen Hirnliga.

Schlaf beeinflusst die Gehirnplastizität
Ausschlaggebend im Zuge der Erholung von einem Hirnschlag ist die Gehirnplastizität. Sie bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, Zellen und Verknüpfungen an Veränderungen – etwa eine Verletzung – anzupassen und neue neuronale Verbindungswege zu organisieren. Eine solche Reorganisation wird durch Hirnströmungen begünstigt, die in ihren Eigenschaften der Hirnaktivität während des Tiefschlafs ähnlich sind. Dies führte zur Hypothese, dass sich Schlaf auf die Neuroplastizität nach einem Hirnschlag auswirkt. Erste Evidenz hierzu liefert die prämierte Studie «Slow Waves Promote Sleep-Dependent Plasticity and Functional Recovery after Stroke».
Unter der Verwendung von Mausmodellen beobachtete das Forschungsteam nach induzierten Hirnschlägen eine vorübergehende Verlängerung bestimmter Schlafphasen. Über optogenetische Methoden – Techniken zur präzisen Kontrolle der Aktivität von Nervenzellen – erzeugten die Forschenden in den betroffenen Hirnregionen der Versuchstiere die Hirnaktivität eines spezifischen Schlafstadiums. Das Ergebnis: Die künstlich generierte Hirnströmung verbesserte die feinmotorischen Bewegungen der Mäuse in den vom Hirnschlag betroffenen Gliedern deutlich. Als Vergleichsgruppe wurden Mäuse herangezogen, deren Erholung unbeeinflusst blieb. Wurde dasselbe Verfahren im Wachzustand durchgeführt, zeigten sich keine signifikanten Auswirkungen.
Auf diese Weise konnte die Studie die Mechanismen beleuchten, die der Plastizität des Gehirns bei der sensomotorischen Erholung nach einem Hirnschlag zugrunde liegen. Die für Tiefschlaf typischen Schwankungen der Hirnaktivität spielen für den Heilungsprozess nach einem Hirnschlag eine wichtige Rolle. In dieser Erkenntnis sehen die Forschenden grosses Potenzial für neue Therapieansätze.

Der Forschungspreis in Kürze

Im Turnus von zwei Jahren verleiht die Schweizerische Hirnliga einen Förderpreis an eine Schweizer Forschungsgruppe, deren Arbeit bereits publiziert oder von einem anerkannten Journal zur Publikation angenommen wurde. Prämiert werden herausragende Leistungen im Bereich der Hirnforschung. Die Ausgezeichneten dürfen sich an einem mit 20 000 CHF dotierten Preisgeld erfreuen, verliehen von Prof. Dr. med. Jürg Kesselring aus dem Vorstand der Schweizerischen Hirnliga.
Diese Mittel wird das Forschungsteam um Prof. Bassetti und Prof. Adamantidis in weitere Forschungsanliegen investieren, die sich aus der Studie ergaben. Ziel sei es, zu untersuchen, wie Schlaf genau die Gehirnplastizität beeinflusst. Daraus hoffen die Forschenden zu wichtigen Erkenntnissen über Hirnerkrankungen wie etwa Alzheimer gelangen.

Die Publikation im Journal of Neuroscience (DOI: 10.1523/JNEUROSCI.0373-20.2020) informiert detailliert über Methode und Ergebnis der Studie.

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